Die CDU ist an allem Schuld und unwählbar. Ach echt?

Ich lese aktuell wieder sehr viel in den Kommentarspalten der renommierten Nachrichtenseiten - meist NTV und Welt. Die Unzufriedenheit über die Ampel kennt kaum Grenzen. Es gibt dort ein breites Spektrum an Kommentaren. Das reicht von wirklich reflektierer Kritik bis hin zu asozialem braunen Müll ohne echten politischen Inhalt.

 

Ich habe mich seit der letzten Bundestagswahl hier nicht mehr zu Wort gemeldet, weil ich damals schon vorausgesehen hatte, was Grüne Politik in Kombination mit der SPD anrichten würde. Das kann man in meinen Blogartikeln hier auch nachlesen. Ich hätte mich jetzt seit 2022 permanent weiter aufregen können, aber es kam mir vor wie eine Flut an totalem Irrsinn dem ich gar nicht hinterherkommen würde. Auch waren es immer wieder die gleichen Themen, es kam substantiell nichts neues. Auch von der Politik gab es zu diesen Themen keine neuen Impulse – erneurbare Energien, Verkehrswende, soziale Gerchtigkeit, Gendern usw... Stoisch wurde die eigene Ideologie entgegen jeder Logik einfach durchgezogen. Jegliche gesellschaftliche Diskussion  darüber wurde komplett ausgeblendet oder gleich ins Rechte Lager geschoben.

 

Die Beschwerden über die tatenlose Ampel sind zahllos, aber nicht nur an ihr wird Kritik geübt. Es gibt auch sehr viel unqualifizierte Kritik an der CDU die an allem Schuld sei weil sie die Probleme in ihren 16 Jahren Regierungszeit verbockt habe. Dieses Urteil ist nicht nur pauschal und unqualifiziert, sondern lässt gewisse Fakten ausser acht, die gerade aktuell bei der Beurteilung der Situation relevant wären.

 

1. Politischer Wandel in den Parteien.

Jede Partei wird immer von ihrem Personal definiert. Eine Partei ist keine für alle Zeit feste Institution, sondern die Politik die aus ihr heraus gemacht wird, wird von Menschen erdacht und ausgeführt. Damit ist klar, dass sich eine Partei mit ihrem Personal auch wandelt. Als Beispiel die AfD. Diese Partei kann in ihren Ursprüngen mit Führungspersonen wie von Lucke und Henkel nicht mehr verglichen werden mit der AfD zur Petry/Gauland-Ära. Auch hat diese Partei wenig Ähnlichkeit mit der aktuellen Partei in der Namen wie Höcke, Krah und andere Radikale die Richtung in der Partei vorgeben.

Gleiches gilt für die Grünen. Ihre aktuelle Politik mit der Ideologie der Alt-68 zu vergleichen bringt keinerlei Deckung. Wollte man damals noch weniger Staat, Freie Liebe und Kommunendenken, so ist man heute bei gesetzlich verordneter Wärmepumpe und veganer Ernährung angekommen. Ein glorreicher Wandel von regelfreier Gesellschaft zum totalen Regulierungswahn und überbordender Bevormundung. Waren zur Gündungszeit noch viele Mitglieder Künstler und Freidenker in dieser Partei, kommen sie heute eher "aus dem Völkerrecht". Die heutigen Funktionäre der sogenannten Öko-Partei haben haben im Prinzip einen dickeren Stock im Arsch als ihn konservative Politker je hatten.

 

2. Von einer alleinigen Herrschaft einer Königin Merkel weiss ich nichts

Allzugerne wird aus der 16 Jahre andauernden Kanzlerschaft von Angela Merkel immer das Märchen überliefert die CDU hätte stets alleine regiert und immer ihre krude Politik dem Volk aufgezwungen. Die Koalitonspartner der CDU schaffen es immer wieder sich aus dem Gesamtbild herauszusubtrahieren. Selbst wenn bestimmte Entscheidungen nicht mal eigene Anliegen der CDU waren, sondern im Koalitionsvertrag verbindlich zugesagte Zugeständnisse an den Koalitionspartner, wird das im Nachgang einer verfehlten Regierungsarbeit der CDU auf den Deckel geschrieben. Die SPD beispielsweise hat diese Methode quasi perfektioniert, denn hört man deren Politiker zu wie sie auf die CDU eindreschen, könnten man den Eindruck gewinnen, die Sozialdemokraten wären seit Schröder nicht mehr in politischer Verantwortung gewesen. Diese Taktik ist nicht nur feige, sondern verzerrt auch die Wahrnehmung ganzer Wählergruppen. Das wäre das Gleiche, wenn man nach der aktuellen Legislatur die FDP dafür verantwortlich machen würde, dass die Ampel zu viele Schulden gemacht hat, obwohl gerade sie stets versucht hatten diese ungehemmte Verschwendung zu verhindern. Aber das ist nun mal das Problem bei einer Koalition. Man muss sich einigen und dann finden sich im Koalitionsvertrag eben Anliegen aus allen Parteiprogrammen wieder und diese können theoretisch keiner einzelnen Partei zugeschoben/ angelastet werden. Eigentlich.

 

Nun komme ich gerne auf Punkt 1 zurück. Der enorme (auch positive) politische Wandel in der CDU, in der Zeit nach Angela Merkel, ist nur durch politische Blindheit oder mutwillige Ignoranz zu übersehen. Die aktuelle Führungstruppe um Friedrich Merz mit den vergangenen Verfehlungen einer Angela Merkel in Verbindung zu bringen, ist im besten Falle politische Unbedarftheit. Der Schritt die Partei nach links zu verschieben um dann die rechte Flanke für Parteien wie die AfD zu öffnen, war die politische Vision und der Opportunismus von Angela Merkel. Wer sich ein bisschen mit Politik auskennt, der weiss, dass Friedrich Merz stets ihr schärfster Gegner innerhalb der CDU war. Er war mit ihrem Kurs mitnichten einverstanden, weshalb sie ihn politisch kaltgestellt hatte. Jetzt 20 Jahre später zu glauben er würde ihre Politik 1:1 weiterführen ist so naiv wie auch unwahr. Nur weil Unkenrufer auch heute noch CDU-Entscheidungen von 2015 zitieren und immer wieder die Verfehlungen von Angela Merkel anprangern, hat das dennoch herzlich wenig mit der CDU in 2024 zu tun. Wir haben es hier quasi mit einer völllig veränderten Partei zu tun.Vom damaligen Personal ist quasi keiner mehr dabei. Die CDU hat unter Merz den Kurs wieder rechts der Mitte eingependelt. Man kann aber nicht einerseits monieren, die CDU wäre unter Merkel zu weit nach Links gerückt, und andererseits die Kurskorrektur, wieder auf die alte Position, als Rechtsruck verurteilen. Wenn wir Veränderung wollen müssen wir sie auch akzeptieren. Vorallem ist das Wort Rechtsruck ein extrem schwammiger Begriff der bar jeder Aussage ist … ein Rechtsruck kann alles sein. Theoretisch wäre auch ein Annähern des Profils Der Linken an das Profil der SPD theoretisch ein Rechtsruck. Das macht Die Linke trotzdem noch nicht zu einer rechten Partei.

 

Wir müssen uns klarmachen, dass es in der Politik mittlerweile nur noch um Befindlichkeiten geht. Es geht kaum mehr um politische Positionen, sondern um personelle Machtkämpfe. Glaubt wirklich jemand, dass die politischen Ansichten von Lafontaine und Schröder so weit auseinander lagen, dass ein Verlassen der SPD und Gründung der WASG notwendig war? Wer glaubte Lafontaine wäre viel zu weit links für die SPD gewesen und kommunistischer unterwegs als Schröder und die damalige Parteifreunde, der schaue sich bitte Schröders Karriere nach seiner Amtszeit an. Diese Nähe zu Russland und Putin spricht eine andere Sprache. Und glaubt dann wirklich jemand, dass die politischen Ansichten von Wissler und Wagenknecht so krass weit auseinander lägen, dass auch hier eine Abspaltung notwendig war? Es ging hier nicht um die politische Ausrichtung, es ging darum die eigene Vorstellung kompromisslos umzusetzen um die eigene politische Persona maximal zu positionieren. Man bedenke hier bitte auch, dass Wagenknecht in vielen Positionen eigentlich immernoch Lafontains Sprachrohr ist. Wir haben hier also zu einem Set an Positionen bereits drei Parteien die auf Stimmenfang gehen. Zählt man die Grünen, die mittlerweile genauso viele linke Themen wie Umweltthemen für sich reklamieren, noch dazu, sind es bereits vier große Parteien innerhalb des linken Spektrums, die die politische Parteienlandschaft stark zersplittern.

Gleiches gilt für die CDU aus deren Kreisen die AfD abgespalten wurde, und sich mittlerwiele auch deren Werteunion auf eigene Wege begeben hat. Aus drei Parteien (CDU, SPD, Grüne) wurden hier in wenigen Jahrzehnten bereits sieben Parteien. So sehr der Wähler nun das Gefühl gewinnen mag dadurch für sich optimale Wahl treffen zu können; und so sehr der Deutsche Wahlberechtigte mit Blick auf Amerika den Kopf schütteln mag weil es dort "irrsinnigerweise" nur zwei wirkliche Wahlmöglichkeiten gibt, so sehr verkennt er doch, dass er nicht die Wahl, sondern die Qual hat. Man kann über die USA und deren politisches System sagen was man will, aber dort gibt es keine Notwendigkeit für Koalitionen. Egal wer gewählt wird, hat im Prinzip mehr politische Legitimation vom Wähler als bei uns. Dort kann die gewählte Partei, je nach Mehrheitsverhältnissen im Senat und Representantenhaus seine Politik halbwegs unverfälscht durchziehen. Im Umkehrschluss kann man dort natürlich nach der Legislaturperiode Bilanz ziehen und analysieren, was alles umgesetzt wurde und was nicht. Bei uns wird das durch dieses Überangebot an Parteien und der damit verbundenen Notwendigkeit zu koalieren ungleich schwieriger. Denn wie man am Resumee der Großen Koalition sehen kann, fragt der "ehemalige" Wähler kaum mehr nach, wer was zu verantworten hatte; wer was im Koalitionsvertrag verankert haben wollte. Das schieben wir im Nachgang einfach der CDU in die Schuhe. Den Fehler haben viele SPD-Wähler 2021 vor ihrem Kreuz gemacht und dann aus Trotz die SPD gewählt. Obwohl die alles mit verantwortet haben. Ich denke einige Wechselwähler bereuen das mittlerweile von Herzen. Aber dumm wie wir Deutschen sind, sind wir auf dem besten Wege den selben Fehler wieder zu begehen, wenn wir nicht endlich anfangen die CDU, so wie sie jetzt aufgestellt ist, neu zu bewerten.

 

Man kann nicht einerseits von der Politik einfordern, dass sie auf aktuelle Ereignisse reagiert, um dann andererseits deren offensichtlichen Kurswechsel einfach ignorieren, oder ihn gar zum Vorwurf machen. Zur Pflicht eines mündigen Bürgers gehört es meiner Meinung nach auch, politische Situationen stets neu zu bewerten und nicht in der Vergangheit zu leben. Ich bin kein ausgewiesener Politexperte, aber auch mit dem was ich mir aus den unterschiedlichen Medien und deren Pressemitteilungen ableiten kann, ist sonnenklar, dass die aktuelle CDU eine völlig anders aufgestellte Partei ist; sie hat mit Angela Merkel rein gar nichts mehr gemein. Wie sonst wäre es erklärbar, dass die CDU sie kaum mehr erwähnt, sie im Zusammenhang mit der Partei nicht mehr in Erscheinung tritt, und sie am Ende sogar aus der Adenauer-Stiftung ausgetreten ist? Die Distanzierung der CDU von der Merkel-Politik ist an jeder Stelle deutlich sichtbar. Die Führungsriege aus Merz und Linnemann vertritt genau die konservativere Werte die man sich während der 16 Jahre Angela Merkel gewünscht hatte. Nun wo die CDU wieder dafür stehen würde und eine echt wählbare Option darstellt, kramen die Kritiker alte Merkel Stories hervor. Das wirkt auf mich wie die Rückabwicklung politischer Evolution; fast schon eine bürgerliche Selbstkasteiung. Oder was erwartet der Bürger von der CDU? Soll sie sich in ihrer Schuld für vergangene Entscheidungen suhlen und täglich um Vergebnung bitten? Ich fände genau das eben albern und infantil.

 

Dem Wähler sei gesagt, es ist nicht die Schlagzahl an Chancen die sich einem bieten, es ist viel mehr das Wahrnehmen der gegebenen Chancen womit man etwas bewirkt. Und an dieser Stelle quatschen mir die Deutschen zu viel und zu unqualifiziert. Mir ist schon klar, dass man schneller und einfacher Kritik übt, anstatt sich konstruktiv mit Dinge auseinanderzusetzen. Und da mag es sein, dass eine neu gegründete Partei mit starken Parolen wie eine ungeahnte Chance wirkt. aber wenn man sich fragt, was diese Personen in ihren vorigen Parteien politisch bewirkt haben, dann weiss man was man von ihnen in der neuen Partei erwarten kann, nämlich nichts.

 

Aktuell sehe ich ausser der CDU keine andere Chance für Deutschland. Sie ist zwar wieder wertekonservativ, dennoch ist nicht zu leugnen, dass gewisse Themen wie Soziales oder Umwelt auch in der CDU mittlerweile zu den Kernthemen gehören. Aber diese Themen werden so umgesetzt wie wir als Deutsche sie uns nach einer dreijährigen Corona-Pandemie und einer Ukraine-Krise finanziell leisten können. Wer glaubt er wähle lieber AfD, der verschwendet ganz klar seine Stimme, denn er wählt definitiv keine Regierung, sondern wählt direkt eine überproportional starke Opposition - das bedeutet im direkten Zusammenhang aber eine schwache Regierung. Warum glaube ich das? Nun die sogenannte Brandmauer wurde auf voller politischer Breite ausgerufen und wird auch auf absehbare Zeit von Politikern aller Parteien verteidigt, selbst wenn man persönlich an ihrem Sinn zweifelt. Somit wird es 2025 sicher keine Koalition mit der AfD geben – mit keiner Partei – das traut sich aus Gründen der Glaubwürdigkeit niemand! Selbst wenn nun 40% der Wählerstimmen an die AfD gingen (was ich nicht glaube), so reichen die für eine alleinige Regierung nicht aus, und die AfD würde selbst mit diesem Erdrutsch-Wahlsieg direkt in die Koalition rücken. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sich nahezu das komplette restliche politische Spektrum überhalb der 5% Hürde zu einer Viel-Parteien-Koalition zusammenschließen muss um eine Mehrheit zu haben. Was die Ampel uns gelehrt hat, ist, dass bereits drei Parteien unterschiedlicher Richtungen es nicht schaffen ein politisches Ziel geschlossen zu verfolgen – auch hier wieder weil Befindlichkeiten wichtiger sind als das Land. Wie soll das mit einer Koalition aus fünf oder mehr Parteien besser werden – besonders wenn man sich vorstellt, dass in diesem Bündnis alle Mitglieder der Ampel auch wieder vereint wären? Es wird tendenziell noch viel schlimmer.

 

Was Deutschland braucht ist eine starke Regierung aus maximal zwei Parteien. Da Olaf Scholz bereits jetzt seine Kandidatur für eine Wiederwahl ankündigt hat, ist offensichtlich, was Deutschland bekommen wird wenn die SPD wiedergewählt würde. Keine Führung, kein Mut, keine Weitsicht, keine internationale Beflissenheit und keine Vision für Deutschland, Europa und die Welt. Wir wählen uns selbst zum Nebendarsteller im wichtigsten aller Dramen, und wir sterben spätestens im 2. Akt.

 

Nun belehre man mich an dieser Stelle und sage mir, welche Partei uns davor bewahren kann, wenn nicht die CDU? Meine Meinung ist noch immer, Protest gehört auf die Straße, nicht an die Wahlurne!

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