Man sagt es bereits seit vielen Jahren, dass sich die Art der Kriegsführung über die letzten Jahrzehnte verändert hat. Die Kriegsschauplätze sind heute andere, Kriege werden auch auf anderen Ebenen erklärt. Auch mischen sich in die Scharmützel neue Parteien mit ein die bislang nicht also solche erkennbar waren. Erstaunlicherweise versteht Wladimir Putin dies alles nicht. Das hätte ich so nicht erwartet.
In einem der vorigen Beiträge habe ich mich ja bereits groß und breit über das Welt- und Männlichkeitsbild von Wladimir Putin geäußert. Alleine das zeigt schon aus welcher Zeit der russische Machthaber kommt. Da geht es um Männlichkeit, Stärke, Führungsqualität und vielleicht auch Unerbittlichkeit. Aber nicht nur das zeigt wie reaktionär und rückschrittlich Wladimir Putin ist. Es zieht ihn in eine Epoche zurück die bereits in der Vergangenheit liegt, genauso wie auch die damals verwendeten Mittel. Alle sprechen über seine moderne Armee und, dass die militärische Macht Russlands die Zweitstärkste der Welt ist. Keiner fragt sich aber, was das heute noch wert ist. Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es auch schon Waffen die in ihrem Vernichtungspotential verheerend waren. Man hätte schon damals problemlos die Welt in Schutt und Asche legen und die Menscheit vernichten können. Aber man hat es nicht getan weil die Abschreckung vor den vernichtenden Konsequenzen als Drohkullisse ausgereicht hatte.
Seither hat sich aber enorm viel auf dieser Welt verändert. Zu unserer realen Welt hat sich das Internet als paralleles Universum entwickelt, welches einen massiven Einfluss auf unser Leben hat. Wo man im Kalten Krieg die gegnerische Infrastruktur noch direkt bombarieren oder einnehmen musste, so ist heute jedes Kraftwerk, jedes Wasserreservoir, und jeder Funkturm an das Internet angeschlossen. Es ist also möglich sie aus der Ferne anzugreifen und in ihrer eigenen Struktur lahmzulegen, ohne jemals gegnerischen Boden betreten zu müssen. Außerdem haben mittlerweile Konzerne, durch eine immer weiter privatisierte Gesellschaft, mehr Einfluss auf die fundamentalen Belange der einzelnen Nationalstaaten weltweit genommen, als man sich das in den Achtzigerjahren hätte träumen lassen. Diese neuen Lebensadern sind für die Staaten heutzutage genauso wichtig wie der Verteidigungsapparat es im Kalten Krieg war. Da liegt dann ein bargeldfreies Zahlungssystem gerne mal bei einem Konzern in einer anderen, ggf. sogar verfeindeten, Nation.
So gerne Wladimir Putin sein Land wieder in eine starke UDSSR verwandeln würde, so lässt er doch ausser Acht, dass die UDSSR in der heutigen Zeit, aufgrund der weit fortgeschrittenen Globalisierung nicht mehr funktionieren würde. Diese nationalstaatliche Abschottung disqualifiziert heutzutage Staaten für einen Wohlstand wie man ihn westlichen Nationen kennt. Somit hat man in Russland, ob es Putin passt oder nicht, auch Computer, iPhones, Apple Pay, PayPal, Facebook oder Google Earth. Alles Dinge des alltäglichen Lebens dessen Brisanz der russische Präsident weit unterschätzt hat. Auch wenn ihm all dies als moderner Schnickschnack erscheinen mag, wird er jetzt aufgrund der Sanktionen erkennen, werden, dass er deren Effekte auf ein funktionierendes Russland weit unterschätzt hat. Da Apple-Pay mittlerweile von knapp 70% der Bevölkerung in den Metropolen verwendet wird, bricht hier quasi der private Zahlungsverkehr zusammen – und das bereits Tage nachdem Apple diesen Dienst in Russland eingestellt hat. Aufgrund des Ausschlusses aus dem SWIFT ist es auch nicht mehr so einfach, dass die Bürger an ihr Geld kommen. Somit kann der russische Bürger nicht mal schnell auf Bargeld ausweichen, weshalb über kurz oder lang der Konsum zum Erliegen kommen wird. Damit treibt die westliche Welt einen weiteren Nagel in den Sarg von Russlands Wirtschaft. Die russische Börse ist seit Kriegsbeginn bereits um 30% eingebrochen – eine verheerende Erosion der russischen Finanzkraft.
Mit der Existenz von Facebook, Whatsapp und anderen sozialen Medien, ist es für Putin auch nicht mehr so leicht durch seine Propagandamaschine, in Form von staatlich kontrollierten Sendern, uneingeschränkt die Informationen zu kontrollieren. Dazu kommt abschließend noch, dass er das Hacker-Kollektiv Anonymus gegen sich aufgebracht hat. Sie hatten innerhalb weniger Tage nach Beginn des Ukraine-Krieges bereits die Website von Gazprom lahmgelegt und in diversen russischen Staatsmedien Nachrichten an die russische Bevölkerung platziert und damit unter Beweis gestellt, wie weit deren Möglichkeiten gehen, Putins Souveränität und Macht zu untergraben. Das dient den Bürgern der Ukraine als Vorbild sich z. B. bei Tinder anzumelden und als Wohnort Moskau oder St. Petersburg anzugeben um Menschen dort Nachrichten, Parolen und Bilder direkt auf das Smartphone schicken zu können. Not macht erfinderisch. Zwar ist die nur das digitale Equivalent zu einem Molotow-Cocktail, aber in Summe mit anderen Nadelstichen wird auch dies seine Wirkung entfalten.
Eine weitere Rolle spielt die Industrie in Form von Elon Musk. Da in den USA für Raumfahrt nicht mehr ausschließlich die Behörde NASA, sondern seit Jahren auch das private Unternehmen Space X zuständig ist, versorgt Musk nun die Ukraine direkt mit Satelliten-Abwehr, was in diesem Fall keine staatliche Amtshandlung, sondern eher eine unabhängige, privatwirtschaftliche Transaktion darstellt. Die USA können in dem Falle nur sehr bedingt verantwortlich gemacht werden, von einer NATO-Beteiligung ganz zu schweigen.
Wie man sieht wird der Westen aktuell extrem kreativ was das ökonimische "Waterboarding" Russlands angeht. Selbst wenn die geopolitischen Möglichkeiten irgendwann erschöpft sein sollten, so wird die freie Wirtschaft noch Möglichkeiten haben von denen wir aktuell nicht zu träumen wagen. Einige Firmen kappten bereits radikal ihre Partnerschaften zu ihren Tochterfirmen in Russland, Sportverbände lehnen es ab Turniere oder Spiele in Russland abzuhalten und wiederum Hersteller bestimmter Produkte stoppten den Verkauf ihrer Waren in Russland komplett. Die Summe dieser kleinen Maßnahmen wird es sein, die russlands bevölkerung viel abverlangen wird.
Da Putin nach dem Prinzip des Kalten Krieges gestrickt ist funktionieren seine Strategien heutzutage auch nur noch bedingt. Er ist wie ein Römischer Feldherr der ins Jahr 2022 katapultiert wurde, und nun versucht, wie er es von Caesar persönlich gelernt hat, seine Legionen, Streitwagen und Laufsoldaten in der Modernen Welt gegen den Feind in den Krieg zu führen. Das kann so aber nicht funktionieren. Verheerend ist nur, dass die Waffen Putins wirkungsvoller sind, als Morgenstern und Schild und er damit viel mehr Schaden anrichten kann, bevor ihn die Realität einholt und er seinen Volk und seinen Oligarchen aus dem Staatspapalst gejagt wird. Man kann aber festhalten: der Krieg den Putin mit Panzern und Raketen in klassischer Form begonnen hat, wird am Ende von Hackern, Wirtschaftsbossen, und Diplomaten beendet werden – egal ob Putin das will oder nicht. Er hätte gut daran getan, auf einige seier moderneren Berater zu hören, anstatt an seinem rückschrittlichen patriarchalischem Weltbild festzuhalten. Er hätte in seiner Position noch weitere Jahre verharren können, aber nun hat er sein Schicksal besiegelt. Wenn der Druck der Weltgemeinschaft auf sein Volk und seine Verbündeten zu groß wird, werden sie selbst ihn loswerden.
Tja, jeder bekommt das was er verdient. Do svidaniya, gospodin Putin!
Kommentar schreiben