Als Vater einer heranwachsenden Tocher bekomme ich so Allerhand mit. Man hört was in der Schule so unterrichtet wird und durch Freundinnen erfährt man auch so manches aus deren Elternhäusern. Gepaart mit dem was ich aus den Medien höre, läuft es mir aktuell eiskalt den Rücken herunter.
Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, dann war sie nicht weniger von Krisen durchzogen, als die Kindheit meiner Tochter heute. Da gab es die Geiselnahme der Israelischen Olympia-Mannschaft bei den Olympischen Spielen, den Bombenanschlag auf das Oktoberfest, die RAF, Ölkrise, Jemen, Beirut, Kalter Krieg, Tschernobyl etc. ich könnte ewig so weitermachen. Aber ehrlicherweise, ich kenne bei vielem nur die Schlagzeilen; die Themen an sich kamen zur damaligen Zeit nur wenig an mich heran. Das verdankt meine Generation einer verantwortlichen Erziehung. Unsere Eltern waren sich der Tatsache bewusst, dass es für jeden von uns nur eine Kindheit gibt. Eine zweite bekommt keiner von uns. Und jeder sollte das Recht haben, seine Kindheit so unbeschwert wie nur möglich genießen zu können.
Wir Erwachsenen sind unseren Kindern in der Reife immer einen Schritt voraus. Deshalb müssen wir als Eltern immer im Auge haben, wo unsere Kinder in ihrer Entwicklung stehen. Nicht alles was wir Erwachsenen intellektuell verarbeiten können ist auch für unsere Kinder gut zu erfassen. Nach heutigem Zeitgeist halsen Eltern ihren Kindern aber das ganze Leid der Welt auf. Für diese Art der frühen Überintellektualisierung sind unsere Kinder aber nicht gerüstet. Dennoch bringen wir Klima- und Migrationskrise, nachhaltige Landwirtschaft, Bienensterben, Mobilitätswende, Genderthemen und alles was uns als Erwachsene massiv bedrückt in den Fokus unserer Kinder. Nicht genug damit, dass wir diese Erwachsenen-Probleme für unsere Kinder nicht entwirren und ihnen das Gefühl geben, dass wir Erwachsenen uns der Probleme annehmen. Nein. Wir erzählen ihnen, dass sie die Zukunft sind und es die Erwachsenen so vergeigt hätten, dass sie selbst ihre Welt jetzt retten müssten. Dafür sollten sie kämpfen. Damit laden wir aber einen Großteil unserer Verantwortung bei den Kindern ab, welcher sie nicht mal ansatzweise gewachsen sind. Auch wenn wir unseren Nachwuchs für überdurchschnittlich vernünftig und reif halten wollen, sind sie charakterlich doch nicht so gefestigt wie ein Erwachsener. Aus der Überforderung unserer Kinder entstehen dann so verzweifelte Initiativen wie Fridays for Future, die mit einigen Erwachsenen im Rücken, den Kids das Gefühl geben sie würden die Welt bereits verändern. Mit Parteien wie den Grünen fühlen sie sich als hätten sie für ihren Kampf eine Lobby die sie bedingungslos unterstützen würde. Damit werden die Kinder lediglich vor den Karren der jeweiligen Interessenverbände gespannt. Da Heranwachsende auch über eine gewisse naive Gutgläubigkeit verfügen ist ein enormes Potential für Ernüchterung und Enttäuschung mit im Spiel, wenn die Erwachsenen dann nicht so stringent handeln, wie die Kids.
Das wird genau dann problematisch wenn es so kommt wie dieser Tage: Die Grünen, die unsere Kinder jahrelang zum Weltverbessern verführt haben, werfen innerhalb von Wochen ihre Ideale unverholen über Bord um ihre politischen Erfolge nicht zu gefährden. Auch wenn unsere Jugendlichen noch keine gereiften Persönlichkeiten sind, so sind sie doch sensibel genug zu erkennen, wann sie verraten worden sind. Weshalb sie sich wiederum auf ihre naive Art und Weise versuchen dagegen zu wehren in dem sie sich weiter radikalisieren. Dabei entstehen dann Aktivistengruppen wie Extinction Rebellion oder Aufstand der letzten Generation. Dann gehen Jugendliche in aller Öffentlichkeit in den Hungerstreik und gefährden sich dabei selbst, während die Eltern machtlos zusehen und die Speerspitzen der Aktivistenverbände medienwirksam applaudieren und sich "solidarisieren".
Man muss sich aber vor Augen führen, dass wir es trotz allen Tatendrangs und aller Überzeugung nicht mit Erwachsenen zu tun haben. Darum müssen wir endlich aufhören unsere Probleme auf unsere Kinder abzuwälzen. So wie unsere Eltern sich der Krisen in unserer Kindheit angenommen haben, so müssen wir dies aktuell tun. Zu glauben, unsere Kinder könnten uns die Lösung auf dem Silbertablett servieren, ist naiv. Auch wenn unsere Kinder intelligent und amitioniert sind, so brauchen sie doch genügend Freiraum um sich unbeschwert entwickeln zu können. Nicht jedes Kind ist eine Greta 2.0. Und selbst wenn sie es wären sollte man sich fragen, was Greta unter dem Strich wirklich erreicht hat, außer die Welt für eine kurze Zeit zu unterhalten. Inhaltlich kam da nichts wirklich zielführendes. Nur ein weinendes, wütendes Mädchen, das mal kurz im Kreis der Großen mitreden durfte. Substantiell hat sich nichts geändert, denn die Länder die Klimaschutz betreiben wollten tun das weiterhin. Andere Staaten die das nie verfolgen wollten, tun das auch heute ganz offenkundig nicht. Wenn wir also unsere Kinder zu früh, mit für sie unlösbaren Aufgaben, überfordern, dann müssen wir uns auch überlegen wie wir sie danach emotional auffangen. Tun wir das nicht, müssen sie für sich damit umgehen "versagt" zu haben, was zwar vorprogrammiert ist, aber nie passieren hätte dürfen. Wie sollen sich aktuell die Kids fühlen? Vor Corona bekamen sie eingetrichtert, dass sie nur lange genug auf die Straße gehen müssen, dann wäre die Politik gezwunden zu reagieren. Aktuell sehen sie wie die Grünen all dies zurückbauen. Der Boost der durch Greta in Deutschland in die Klimadebatte kam, war nur wirklich bei den damaligen Oppositionsparteien zu spüren und ist jetzt nach 3 Monaten Regierungsverpflichtung auf das Vor-Greta-Niveau zurückgedampft. Greta ist quasi verpufft. Die Frage was dies eventuell emotional mit Greta gemacht hat, geht im Apllaus der Gutmenschen fulminant unter.
Die massive Bespielung mit allen Registern passiert auch lautstark in der Schule. Während wir damals schon mal Dirty Dancing oder 2001 Space Odyssey im Unterricht ansehen durften, schleppen die Lehrer die Kinder heute ins Kino um Filme von Klimaaktivisten über den Klimawandel anzusehen. Kinder die ihr Essen mit Tupperware in die Schule bringen bekommen ein Vortrag bzgl. Mikroplastik zu hören, und Mädchen die sich äußern, dass sie die Frauenquote beleidigend finden, weil sie dann nie wüssten ob sie den Job wegen ihrer Leistungen bekommen hätten, werden vor versammelter Klasse von der Lehrkraft mit Hähme belegt. Diese Art der Ernsthaftigkeit ist das Gegenteil von Unbeschwertheit. Warum tun wir unseren Kindern so etwas an? Warum nehmen wir ihnen etwas was wir selbst in vollen Zügen genießen durften?
Eine weitere Gefahr die ich sehe, ist die Distanzierung mit dem jugendlichen Ich. Wenn ich daran zurückdenke wie ich in meinen jungen Zwanzigern über Dinge gedacht habe und wofür ich gekämpft habe, dann kommt mir das jugendlich ungestüm und naiv vor. Mit den aktuell relevanten Themen befasse ich mich heute als Vater, und habe damit einen Umgang bei dem ich mich auch ernstnehmen kann. Wenn ich das auf einen Jugendlichen von heute anwende, dann müsste er sich in zwanzig Jahren wegen seines naiven Umgangs mit dem Klimaschutz, nachhaltiger Ernährung oder Genderthemen selbst belächeln. Er hätte sich zu einer (zu frühen) Zeit seines Lebens an diesen Themen abgearbeitet und frönt dann später eventuell eher banalen Themen weil für ihn der Eindruck entstanden ist, dass man eh nichts verändern kann. Wir sollten unsere Kinder also nicht dazu zwingen ihr Pulver zu früh zu verschießen.
Ich will damit nicht sagen, dass sich Kinder ohne das Einwirken ihrer Eltern nicht für dringende Themen interessieren würden, denn das tun sie sehr wohl. Aber dennoch; Kinder sind Kinder, und Eltern sind Eltern. Nur weil sie sich ab einem gewissen Alter wie Erwachsene fühlen und dies auch auf uns ausstrahlen, heisst das nicht, dass sie schon Erwachsene sind. Kinder sollen ihre KINDheit genießen dürfen. Wenn wir unsere Kinder verantwortungsvoll erziehen, dann werden sie später automatisch zu Erwachsenen die Dinge bewegen wollen und können. Da ist es absolut nicht notwendig dies zu früh zu forcieren. Im Gegenteil, man sollte sie einbremsen um ihnen mehr Zeit zu verschaffen. Damit meine ich allerdings nicht, man solle ihren Wissensdurst zu aktuellen Themen ignorieren oder sie von den aktuellen Geschehnissen abschirmen. Heute beispielsweise habe ich meiner Tochter all ihre Fragen zur Ukraine-Krise beantwortet. ABER, das Ende meiner Erklärung war eine deutliche Versicherung, dass wir Erwachsenen an dem Thema dran sind, gerade auch wegen unserer Kinder. Ich habe ihr erklärt, wie Dinge zusammenhängen und wie kompliziert verschachtelt dies oft ist. Natürlich bin ich aktuell bezüglich einiger Themen besorgt, aber ich neige nicht zur Panik. Und selbst wenn ich in Panik wäre, verstehe ich es als meine elterliche Pflicht trotzdem Sicherheit und Übersicht auszustrahlen. Das bin ich meiner Tochter schuldig. Damit gebe ich das an die nächste Generation weiter, was meine Eltern mir ermöglicht haben und wofür ich sehr dankbar bin: eine unbeschwerte Kindheit und Jugend. Danke.
Der Ernst des Lebens kommt früh genug...
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