Aktuell erleben wir den Fall "Ofarim" in den Medien und der Aufschrei bzgl. Antisemitismus ist riesengroß. Ich bin auch ein Gegner von jeglicher Diskriminierung, egal ob religiös, ethnisch oder geschlechtlich. Aber die Rufe "Rassimus", "Antisemitismus" und "Sexisimus" werden mir mittlerweile zu leichtfertig laut.
Kurz erklärt, für die jeingen die Gil Ofarim nicht kennen: Er ist Musiker und Schauspieler. Er kommt aus einer Musikerfamilie, sein Vater war Abi Ofarim, ein relativ bekannter israelischer Künstler. Gil Ofarim gehörte weder in der Musik noch im Schauspiel zur ersten Garde und ist mittlerweile bei der Teilnahme diverser B-Promi-Formate, wie Let´s Dance oder Masked Singer angekommen.
Was ist wohl passiert?
Zu Beginn standen lediglich die Vorwürfe von Gil Ofarim im Raum. Er soll eines Abends, in diesem Oktober, in einem Hotel am Check-In antisemitsch angegangen worden sein. Er wollte dort einchecken und ihm soll dies verwehrt worden sein, weil er seinen Davidstern offen trug. Dann soll wohl an einem bestimmten Punkt der Satz "Pack deinen Stern ein" gefallen sein. Was unmittelbar passiert ist; der Vorfall wurde medial breitgetreten und auch Ofarim selbst hat in sozialen Medien erste Posts und Videos abgesetzt. Sofort entstand ein Sturm der Entrüstung in den Medien und den sozialen Netzwerken. Vor dem Hotel entstanden sofort Demonstrationen und Mahnwachen um Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern in Deutschland zu bekunden. Der Mitarbeiter wurde freigestellt und reichte seinerseits Klage wegen Verleumdung gegen Gil Ofarim ein
Aber was ist nicht passiert?
Was nicht passiert ist, dass die Öffentlichkeit erst einmal kühlen Kopf bewahrt hat um die Situation komplett zu analysieren. Natürlich muss hier, wenn ein dringender Verdacht besteht, polizeilich bzw. staatsanwaltschaftlich ermittelt werden. Wenn diese Staatsorgane dann aufgrund einer entsprechenden Beweislage zu dem Schluss kommen, dass ein Verfahren gegen den Hotelmitarbeiter oder ggf. auch das Hotel eröffnet werden kann, dann muss dies auch erfolgen. Sollte sich im Laufe des Verfahrens der Anfangsverdacht bestätigen wird hoffentlich ein hartes Urteil gefällt und ein deutliches Zeichen gesetzt.
Diesen rechtsstaatlichen Vorgang wollte aber offenbar keiner abwarten. Die Medien springen auf den Zug gefällig auf und die Demonstranten vor dem Hotel haben ihr Urteil auch bereits gefällt; Ofarim ist Opfer und der Hotelangestellte ist ein Judenhasser. Wäre das aber alles so einfach, dann bräuchten wir weder unsere Polizei noch unsere Justiz. Dann könnten wir den Hotelmitarbeiter einfach kurzerhand am nächsten Baum aufknüpfen.
Für mich persönlich war die ganze Geschichte von Beginn an irgendwie unstimmig. Wenn es zutrifft, dass dieser Mitarbeiter des Hotels ein Antisemit ist, und er wirklich Ofarim aufgefordert hatte den Stern einzupacken, hätte dies Ofarim dann plötzlich weniger zum Juden gemacht, nur weil er der Aufforderung Folge geleistet hätte? Wäre es dann für den Mitarbeiter "erträglicher" gewesen Ofarim einzuchecken nur weil der Stern nicht mehr sichtbar ist? Er müsste ja dann trotzdem einen "Juden" in sein Hotel lassen?! Das macht für mich mit diesen wenigen Informationen erstmal wenig Sinn. Da fühle ich mich aktuell wie bei Dalli-Klick wo mir noch entscheidende Puzzleteile fehlen um das Ganze zu erkennen.
Rein gefühlt scheint mir der Mitarbeiter auch aufgebrachter zu sein, als Ofarim selbst, denn Ersterer hatte direkt eine Klage wegen Verleumdung eingereicht. Die Klage von Ofarim kam erst viel später. Hätte es nicht anders herum sein müssen?
Was wir zu Beginn auch nicht wussten, ist, was in den 30 Minuten vor dem angeblichen Vorfall passiert ist. In vielen Fällen passiert das Relevante genau in diesem Zeitraum. Und genau das ist es worauf sich echte Ermittler auch wirklich konzentrieren, weil dort oftmals die wahre Erklärung zu finden ist. Eine Woche später wurde auf NTV ein Augenzeuge interviewed, der berichtete, dass bereits Stunden vor dem Vorfall ein Computerproblem bestanden haben soll, welches zu einer sehr langen Schlange am Check-In geführt haben muss. Es wurden also offenbar auch andere Gäste nicht eingecheckt. Das ist ein weiteres Puzzleteil das dringend mit einbezogen werden muss um Licht in den Vorfall zu bringen.
Was möglich ist.
Es ist ganz klar, dass dies natürlich ein antisemitisch motivierter Vorfall gewesen sein kann. Da bei uns in Deutschland nachweislich zahllose Rechtsradikale, Antisemiten (rechts oder muslimisch) leben, kann dies niemand kategorisch ausschließen. Aber, nur weil Gil Ofarim dies als einen antisemitschen Vorfall beschreibt, muss das nicht automatisch den Tatsachen entsprechen.
Was auch sein kann, ist, dass Gil Ofarim dies zwar als antisemitischen Vorfall empfindet, es sich aber um ein Mißverständnis handelt.
Was wir aber aktuell auch immer wieder beobachten, ist, dass Künstler oder Prominente über die sozialen Medien selbst versuchen sich zu einem kurzzeitigen Karriereboost zu verhelfen, wenn dies über die Massenmedien nicht mehr stattfindet. Das ist auch in diesem Fall nicht auszuschließen. Das komplette Kardashian Imperium ist darauf aufgebaut. Auch zahllose "Karrieren" von Influencern haben diese Methode als Geschäftsmodell.
Was aber nicht sein darf.
Es darf niemals – auch nicht bei einem anderen Fall – den offiziellen Ermittlungen vorgegriffen werden. Die Allerwenigsten von uns waren dabei und könnten eine verwertbare Zeugenaussage machen um Sachliches zur Aufkärung dieses Falles beizutragen. Es steht also keinem von uns zu, vor Abschluss der Ermittlungen, Partei zu ergreifen und sein eigenes Urteil über Menschen zu fällen – weder über den Hotelangestellten noch über Ofarim.
Somit macht es einen gewaltigen Unterschied ob man diesen Vorfall zum Anlass nimmt noch einmal generell gegen Antisemitismus zu demonstrieren und man diese Demo dann auf dem Marktplatz der eigenen Stadt abzuhalten, oder ob man diese Demo direkt vor der Tür des Hotels abhält. Letzteres bringt den Protest nämlich an einen bestimmten Ort an dem ein Urteil noch nicht gefällt werden darf, denn die Demonstranten sind weder offizielle Ermittler, noch Juristen die diesen Fall behandeln. Das ist nicht nur purer Aktivismus um der eigenen Sache einen Boost zu verpassen, sondern eine Vorverurteilung. In Deutschland gilt immernoch die Unschuldsvermutung, und es muss nicht die Unschuld, sondern die Schuld bewiesen werden! Somit kann man in diesem Falle nicht davon sprechen, dass man noch offen für andere Ergebnisse der Ermittlungen wäre um diese dann auch mitzutragen.
Ich möchte an Jörg Kachelmann und Gustl Mollath erinnern. Beides Fälle in denen die beiden Personen bereits im Vorfeld durch Medien und Öffentlichkeit vorverurteilt wurden obwohl sie am Ende freigesprochen wurden. Ich betone: freigesprochen. Nicht einfach nur aus Mangel an Beweisen eingestellt, sondern freigesprochen. Wenn Gil Ofarim sich fragt ob wir denn aus der Vergangenheit nichts gelernt hätten, gebe ich ihm Recht. Aber da muss ich eben auch diese beiden Justizfälle anführen und fragen ob wir daraus auch nichts gelernt haben?
Fazit.
Ich plädiere dafür die Justiz ihren Job machen zu lassen und sich damit zurückzuhalten Partei zu ergreifen. Da ich Vertrauen in unsere Justiz habe, gehe ich davon aus, dass es zu einem Urteil kommen wird, dass dem Vorfall gerecht werden wird. Dabei muss man aber ganz deutlich sagen, dass es hier auch keinen Unterschied geben darf: Sollte es sich um einen antisemitischen Vorfall gehandelt haben, muss das Strafmaß deutlich sein. Im Gegenzug, sollte es sich aber wirklich herausstellen, dass der Beklagte freizusprechen ist, darf Gil Ofarim nicht mit einem Klaps auf die Finger davonkommen, denn Verleumdung ist kein Pappenstil. Dann müsste auch deutlich gemacht werden, dass falsche Anschuldigungen dem Kampf gegen Antisemitismus nicht helfen, sondern schaden!
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