Die Deutschen sind ihrer Bürgerpflicht nachgekommen und haben ihre Stimme für einen neuen Bundestag abgegeben. Meine Rede war vorher immer, dass gefälligst jeder zur Wahl gehen soll. Meine Rede war auch unbedingt aus Überzeugung zu wählen. Protest gehört nicht an die Wahlurne sondern auf die Straße oder in die Politik. Aber dennoch haben viele Deutsche, im Glauben ein Zeichen zu setzen, sich das Leben unter Umständen schwerer gemacht als nötig gewesen wäre. Neben all den politischen Entscheidungen haben sich aber auch ein paar sehr interessanten Dinge herauskristallisiert und mit denen würde ich gerne beginnen.
Es grünt so grün.
Vor der Wahl entstand der Eindruck Deutschland wäre extrem grün. Fridays for Future, Extinction Rebellion, die DUH oder auch hungerstreikende Teenager wollten uns zu verstehen geben, dass eine ganze Generation rebellieren, und nun der älteren Generation das Ruder aus der Hand nehmen würde. Die Medien trugen ihren Teil dazu bei dieses Bild zu befeuern. Tatsache ist aber, dass auch hier die Berichterstattung, exakt genau wie bei Berichten über Stuttgart 21, Querdenker, Reichsbürger oder Pegida, immer eine "kleine" Gruppe der Gesellschaft als massive Bewegung erzählen kann. Wir sehen Zehntausende bei einer Stuttgart 21 Demo und bekommen erklärt, dass die gesamte Stadt Stuttgart gegen diesen Bahnhof wäre. Dass diese 20.000 Demonstranten aber vermutlich aus ganz Deutschland zusammengekratzt wurden, und so Mancher auch wenig mit dem Thema zu tun hatte, sondern eher Bock auf "Randale" hatte, bleibt hier aussen vor. Und selbst wenn alle Teilnehmer doch Stuttgarter gewesen wären, und alle an der Demo teilnahmen weil sie tatsächlich etwas gegen diesen Bahnhof hatten, stünden diese 20.000 immer noch weiteren 610.000 Einwohnern gegenüber, denen das Thema offensichtlich nicht so wichtig war – sonst wären sie ja auch auf die Demo gegangen. Nun also diese demonstrierenden 20.000 zur gesamten Stadt zu erklären ist eine Verdrehung der Tatsachen.
Gleiches passierte offenbar auch bei der Klimabewegung. Die Klima-Aktionen fanden zwar in ganz Deutschland statt, aber selten zur gleichen Zeit. Somit bleibt die Vermutung, dass es sich bei einem Großteil immer um die gleichen Personen handelte die hier dieses Thema zum "Hobby" erklärt haben und mit dieser Community auch umhergezogen sind. Das Bild von einer sich erhebenden Jugend, die dem Verschmutzertum der Alten ein Ende setzen wollten, war perfekt inszeniert. Fakt ist aber, dass eine Auswertung der Zahlen ergab, dass bei den Erstwählern die meisten tatsächlich die FDP gewählt hatten, nicht die Grünen! Die Stimmen der Grünen setzen sich zu einem großen Teil aus Stimmen älterer Semester zusammen. Warum ist das so? Das ist relativ einfach zu erklären: es liegt an der Art der Erzählung für die sich die Grünen entschieden haben. Vor der Wahl ist man auf die Bürger mit Suggestivfragen und emotionalen Slogans zugegangen. "Möchten Sie, dass Ihre Kinder in einer dreckigen verpesteten Welt aufwachsen?" Wer würde hier allen Ernstes mit "Ja" antworten? "Wollen wir künftig anstatt tonnenweise CO2 aus Kraftwerkschloten zu pusten nicht lieber Sonnenenergie nutzen?" Wer würde da sagen "Nein will ich nicht!"? Man hat hier zwar grundlegend eine Stimmung eingefangen die der eigenen Sache Auftrieb gab, aber offensichtlich fehlte dem Wähler doch die Substanz die im Nachgang notwendig gewesen wäre. Dem Bürger wurde einfach nicht glaubhaft erklärt wie und von wem das bezahlt werden soll. Die Tatsache, dass Erstwähler doch eher zur FDP gingen zeigt, dass sie mit Erreichen der Volljährigkeit doch gerne ein Auto fahren, nach dem Abi eine Reise machen oder im Studium ein Auslandssemester machen möchten. Das können sie ohne Auto oder Flugzeug einfach nicht. Und sobald sie aus der offenkundig naiv-grünen Sozialisierung der Schule herausgewachsen sind erkennen sie scheinbar, dass sie das bei den Grünen nicht bekommen können.
"Die Oma", die von der Klimabewegung kurzerhand zur Umweltsau erklärt wurde, tut sich offensichtlich viel leichter mit den Entbehrungen die eine solche Klimawende mit sich bringen würde, als die so viel beschworene Klimajugend. Es lässt sich also klar attestieren, Deutschland ist bei weitem nicht so grün wie viele das gerne hätten!
Sozial gerecht. Genderneutral.
Am Abschneiden der Linken lässt sich eine weitere Interessante Sache ablesen: Das Thema soziale Gerechtigkeit ist kein rein linkes Thema. So hätte man das im linken Lager gerne gehabt. Alles was weiter rechts ist als die Grünen ist bereits "Rechts" und ist offenkundig raffgierig und menschenverachtend. Aber anscheinend hat es den Menschen nicht gereicht, dass zwei junge unerfahrene Frauen zu Parteivorsitzenden gemacht wurden. Und es hat ihnen auch nicht gereicht von diesen beiden Damen mit "sozialen" Parolen vollgedröhnt zu werden. Diese beiden Politikerinnen haben diese kollossale Niederlage mit ihrem stümperhaften Auftreten in hohem Maße verursacht. Sie haben nach einem halben Jahr ihrer Amtszeit geschafft, dass das was diese Partei in zwanzig Jahren erarbeitet hat, zu Staub zertreten wurde. Wären nicht die drei Direktmandate gewesen, wäre diese Partei in ihrer Belanglosigkeit aus dem Bundestag geflogen. Genau wie die Nominierung Baerbocks entlarft sich hier die Genderlogik der Linken als wenig vereinbar mit dem wie der Bürger das empfindet. Wie anders wäre es zu erklären, dass gerade diese jungen ambitionierten Damen so grandios gescheitert sind? Es ist eben auch so, dass Frauen sich ihre Sporen erst einmal durch harte Arbeit verdienen müssen. Davon sind diese Drei Lichtjahre entfernt, und sind somit in keinster Weise mit Malu Dreyer, Manuela Schwesig oder Dorothee Bär vergleichbar, auch wenn diese das gleiche Geschlecht haben. Die drei Letztgenannten sind Powerfrauen die sich ihren Erfolg hart erarbeitet haben!
Die SPD.
Eine zutiefst uneinige Partei die es geschafft hat den Wähler mit luftleeren Platitüden zu einem Votum zu bewegen. Ich denke die Parolen waren am unverfänglichsten und müssen sich für den Bürger angefühlt haben wie eine proktologische Untersuchung bei der ihnen der dünnstmögliche Schlauch versprochen wurde. Aber während Scholz im Wahlkampf mit einem dünnen Schläuchlein wirbt stehen im Hintergrund Esken und Kühnert bereits mit dem Feuerwehrschlauch bereit. Nach der Wahl wird nun gespült. Aber wie ich bereits erwähnt habe verstehe ich mich als Demokrat und erkenne die SPD natürlich als Wahlsieger an. Wenn sie eine Mehrheit zusammen bekommt, akzeptiere ich dieses Bündnis selbstverständlich für die gewählten vier Jahre obwohl ich vermute, dass diese Legislatur viel Schaden hinterlassen wird. Aber der Bürger hat gewählt und lernt hoffentlich daraus.
Die CDU.
Ja, der Kandidat war nicht das krasse Zugpferd. Er war auch nie mein Wunschkandidat. Aber ich sehe die Fehler nach wie vor nicht im Wahlkampf von Armin Laschet. Klar, waren sein Lachen beim Hochwasser oder das falsche Einwerfen des Wahlzettels nicht gerade hilfreich. Aber bei genauer Betrachtung lassen sich die Probleme der Union auf zwei Personen eingrenzen: Angela Merkel und Markus Söder. Diese beiden sind für das desaströse Abschneiden vollumfänglich verantwortlich.
Der erste Fehler lag bei Merkel als sie den Parteivorsitz aufgab und die Kanzlerschaft aus Eitelkeit weiterführte. Ab hier war der Niedergang der CDU deutlich erkennbar.
Es ist ein Unterschied ob man diese beiden Ämter aufteilt, und zwei Personen zeitgleich neu in das jeweilig Amt starten lässt, oder ob eine Person beide Ämter schon 14 Jahre inne hatte und plötzlich eine weitere Person in das schwächere von beiden Ämtern nachrückt. Dieser "arme Tropf" ist doch von Start weg geschwächt. Man mag das nun auf AKK oder Laschet als schwache Politiker schieben, aber wer bitte hätte dieses Amt mit eigenem Profil ausfüllen können ohne das Erbe von Angela Merkel zu beschädigen, während sie noch am Steuer sitzt und dies mit allen Mitteln verhindert? Keiner den ich kenne. Somit gab es niemanden der hier mehr leisten hätte können. Die charakterlichen Defizite von Markus Söder wären dann der Todesstoß für jeden Kanzlerkandidaten gewesen. Diese offensichtlichen Sticheleien waren armselig. Ich persönlich verstehe mich als Demokrat und erkenne jede Wahl die ordentlich durchgeführt ist an, auch wenn ich mit dem Ergebnis persönlich nicht zufrieden bin. Markus Söder konnte sich mit der Nominierung Laschets nie anfreunden und hat trotz aller Zusammenhaltsbekundungen nie aufgehört den Wahlkampf Laschets zu beschießen. Das ist dem Bürger sauer aufgestoßen, weshalb die CSU in Bayern auch massiv eingebüßt hat. Dieses Ergebnis auf die Freien Wähler zu schieben, ist eine naive Verweigerung der Realität. Die Wähler sind von der Union zur den Freien Wählern abgewandert weil sie diese anscheinend für die bessere, und glaubwürdigere, CSU halten. Herr Söder hat hier im Amt des Ministerpräsidenten und des Parteivorsitzenden der CSU krachend versagt!
Wie finde ich es, dass Laschet Scholz nicht zur gewonnen Wahl gratuliert hat? Ich finde es passt nicht zu dem Bild das ich von ihm habe. Scholz ist ohne Zweifel der Gewinner und eine Gratulation wäre mehr als angebracht gewesen. Denn, auch bei lediglich 2% bleibt Wahlsieger einfach Wahlsieger.
Finde ich die Sondierungen für ein Jamaika Bündnis gut? Ich habe damit eher gemischte Gefühle. Ich versuche mir immer wieder vor Augen zu führen, dass ich Demokrat bin. Je mehr ich darüber nachsinne, desto mehr erkenne ich, dass Demokratie und Ehrgefühl nicht immer Hand in Hand gehen. Aktuell gehört es zum guten Ton den Verlierer zu Staub zu zertreten. Politisch gesehen heisst das, wer verliert nimmt seinen Hut und geht ohne Applaus zur Hintertür raus. So war es bisher immer. Aber rein demokratisch betrachtet, geht es bei einer Wahl nur darum, nach dem Votum des Bürgers Mehrheiten zu bilden um regieren zu können. Es geht nicht darum, dass der glänzende Sieger zum König gekrönt wird. Hier ist das Politische System ein unemotionales Rechenexempel, mehr nicht. Und hierbei ist 25+12+14=51 genauso eine Absolute Mehrheit wie 27+12+14=53 und kann ein regierungsfähiges Bündnis eingehen. Somit ist beides vor den Regeln unseres Wahlrechts nur legitim. Darum ist es auch nicht unehrenhaft als Nicht-Gewinner nach einer Mehrheit zu suchen. Im Gegenteil: wäre die AfD als stärkste Kraft aus der Wahl gegangen hätte ein Großteil der Bevölkerung sicher gehofft, dass die schwächeren Fraktionen sich zu einer Koalition zusammenschließen um der AfD die Macht zu verwehren.
Aber im aktuellen Falle machen selbst mickrige 2% trotzdem einen himmelweiten Unterschied. Wäre das Ergebnis genau anders herum gewesen und die CDU wäre mit 27% und die SPD mit 25% aus der Wahl gekommen, dann hätten wir zwar nur einen faktischen Unterschied von läppischen 2% gehabt, aber einen völlig anderen Armin Laschet gesehen. Mit diesen 2% hätte er viele bisherige Zweifel ausgeräumt und einen Sieg errungen den ihm keiner zugetraut hatte. Dann würden die Sondierungsgespräche von ihm geführt werden und nicht von der FDP und den Grünen. Wir bekommen hier also nicht einfach nur ein rechnerisch mögliches Jamaika, sondern ein Jamaika mit einer kraftlosen CDU am Tropf. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: würde ich Esken, Borjans und Kühnert nicht so massiv mißtrauen, wäre mir eine Koalition mit einer starken SPD tatsächlich lieber als mit einer scheintoten CDU. Wären die Figuren im Spiel der Union nicht bis auf die Knochen blamiert, dann wäre es vielleicht sinnvoll über Jamaika nachzudenken, aber aktuell haben sich die wenigsten Politiker mit Ruhm bekleckert. Damit meine ich nicht nur die der Union. Über Söder, Merkel, die SPD, die Linke und Baerbock habe ich mich bereits oft genug ausgelassen. Von denen halte ich politisch gesehen nicht viel. Einige lassen selbst die charakterliche Eignung für das Führen eines lokalen Sportvereins vermissen. Aber wer ist da noch, dem ich vertrauensvoll das Land in die Hände geben könnte?
Robert Habeck? Der auch wenig Charakter gezeigt hat und eine schlechte Kandidatin vorlassen musste ohne sich dazu wirklich äußern zu können? Er hat nicht gefagt ob er sich bücken sollte, sondern nur wie weit und konnte dann nur noch "entspannen", damit es nicht so weh tut. Jetzt nach Baerbocks Niederlage den starken Mann zu markieren ist eine lächerliche Charade und gerade zu Leichenflädderei. Christian Lindner? Der Mann der während Corona große Sprüche geklopft hatte, was nicht alles gegen das Parlament und das Grundgesetz verstöße. Und, was hat er dagegen getan? Geklagt vor dem obersten Gericht? Fehlanzeige. Das war auch alles nur zahnloses Geraschel ohne Konsequenzen. Friedrich Merz? Der Hoffnungsträger der Konservativen Union und der Wirtschaft, der auch im zweiten Anlauf an einer altersschwachen Angela Merkel zerschellt ist? Er hat dies verstanden und erklärte sich gestern zu einem einfachen Abgeordneten, weil er weiß, dass sein Momentum vorbei ist.
Ich sehe da nur einen Mann dem ich unser Land gerne von Anfang an in die Hände gegeben hätte: Norbert Röttgen. Ein besonnener Weltmann, gut vernetzt, weltpolitisch beflissen mit einem staatsmännischen Auftreten dessen Ausführungen immer nachvollziehbar klingen. Alle fragten sich warum er bei der Wahl zum Parteivorsitzenden überhaupt antrat, und doch fuhr er dann ein überaus respektables Ergebnis ein. Ihm traue ich zu, dass er an der Reformation der CDU einen großen Anteil tragen wird. Wenn die Mitglieder der CDU nur halb soviel Ehre und Hirn haben wie die aktuelle Situation der Union es erfordert, dann kann man nur hoffen dass sie dazu auch noch die menschliche Größe haben um zurückzutreten um den Platz für Norbert Röttgen freizumachen um ihm in der Post-Merkel-Ära das eindeutige Mandat geben, die CDU neu aufzustellen.
Mein Fazit: Augen zu und durch! Wenn wir vier Jahre Trump überstanden haben, dann schaffen wir auch vier Jahre Scholz. Und seien wir mal ehrlich: vier Jahre waren seit ich denken kann sowieso immer zu kurz für Weitreichendes, also wird es schon so schlimm nicht werden...
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