Gleich zu Beginn: ich habe den Auftritt von Olaf Scholz verpasst weil ich beruflich unterwegs war, ich werde ihn aber hoffentlich über die Mediathek noch ansehen können. Gestern habe ich aber schon mal den von Armin Laschet verfolgt und ich war sehr angetan. Ich habe da einen echten Staatsmann gesehen, der ohne Söder im Ohr, seiner eigenen Linie gefolgt ist.
Ich fange mal an mit dem was mich echt genervt hat, weil das nur ein einziger Punkt ist. Was aktuell wohl "Guter Ton" zu sein scheint, ist, sich für jede gestellte Frage erstmal besonders schleimig zu bedanken. Das fällt mir nicht nur bei Armin Laschet auf, sondern ist auch bei Baerbock und Scholz bei jeder Gelegenheit zu vernehmen. Das soll die Kandidaten offensichtlich empathisch erscheinen lassen, wirkt auf mich aber extrem konstruiert und trainiert. Wenn dies bei jeder Frage vorangestellt wird, ist das so inflationär verwendet, dass es eigentlich bedeutungslos ist. Somit kann ich persönlich nicht ablesen ob jemand wirklich berührt ist und ob er wirklich dafür dankbar ist, dass diese Frage gestellt wurde.
Dann gehe ich aber gleich zum Positiven Teil über, denn ich konnte gestern bei einem relativ entspannten Armin Laschet sehen, dass er sich wirklich kümmern möchte. Woran mache ich das fest? In aller erster Line daran, dass er keiner Frage ausgewichen ist. Er hat bei vielen Fragen beim Fragensteller nachgehakt und dann sehr ausführlich geantwortet. Das war auch kein Scholz´sches Rumgeschwurbel, um nicht negativ antworten zu müssen, sondern war oftmals sehr ehrlich und auch bitter für den Fragensteller. Im Gegenteil, bei vielen Fragen hat er, obwohl die Moderation schon zur nächsten Frage übergehen wollte, die Frage nochmal wiederholt um die Antwort nochmals zu wiederholen und mehr Deutlichkeit reinzubringen. Was auch immer wieder auffiel, war, dass er bei einigen Fragenstellern, auch bei unbequemen Fragen, erkannt hatte, dass die Frage für diesen noch nicht ausreichend beantwortet war oder eine Folgefrage aufkam. Er gab ihnen hier die Möglichkeit weiter nachzuhaken um dann eine präzisere Antwort zu bekommen. Da konnte er sich bei ganz vielen Zuschauern ein Nicken abholen, obwohl das Moderationsteam mit Blick auf die Uhr schon nervös wurde. An der Ausgestaltung der Antworten war wenig Phrasenhaftes weshalb ich ihm bei vielen Fragen echte Empathie ansehen konnte. Die Fragen waren oftmals sehr unbequem aber er nahm sich Zeit um sich und seine Sichtweise geduldig zu erklären, was ihm auch wirklich gut zu Gesicht stand.
Was aber deutlich wurde war, dass viele Bürger, wie auch die anwesenden Fragensteller, nicht verstehen, dass Armin Laschet zwar in der CDU ist, aber seit längerer Zeit keine Bundespolitik macht. Hier bewirbt sich nicht Ralph Brinkhaus der in der aktuellen Legislatur bereits die Bundstagsfraktion führt, sondern der Ministerpräsident von NRW, der Landespolitik macht – vom CDU-Vorsitz mal abgesehen. Und diese Landespolitik unterscheidet sich von der Bundeslinie doch oftmals sehr stark. Zwar weniger in der Programmatik, jedoch stark in der Umsetzung. So halten ihm viele Bürger Dinge vor die auf Bundesebene nicht umgesetzt werden, die er in seinem Bundesland aber bereits erfolgreich umsetzt oder anwendet. Tatsächlich ist NRW in einigen Punkten der Bundespolitik bereits voraus, sei es beim Kohleausstieg oder beim industriellen Umbau bei Stahl und Chemie. Was die Bürger auch immer wieder übersehen, ist, dass wir ein föderaler Staat sind. Hier gibt es Bundesregelungen aber auch Dinge die in den Ländern geregelt werden. Natürlich ist das oftmals für den Bürger im Detail schwer nachvollziehbar was vom Land entschieden werden darf, und wo einem Landeschef durch den Bund die Hände gebunden sind. Da hätten wir Bürger gerne bundeseinheitliche Regelungen was aber aufgrund des Föderalismus einfach nicht möglich ist – da kann dann weder ein Kanzler Scholz noch ein Kanzler Laschet etwas daran ändern so lange der Bundestag den Föderalismus nicht abschafft. Probleme gibt es hier auch immer wieder bei Geldern die von Bund über die Länder bis in die Kommunen fliessen müssen. So kann ein Bundesfinanzminister zwar Gelder versprechen, die dann aber erstmal in den Ländern ankommen müssen, um dann aus der landespolitischen Verantwortung heraus verteilt zu werden. Wenn diese Gelder aber aus Gründen der Bürokratie nicht fließen steht ein Ministerpräsident genauso ungeduldig vor der roten Ampel wie wie die Bürger seines Bundeslandes.
Ich fand an diesem Abend hatte er sich zu ganz vielen Themen nicht nur klar positioniert, sondern konnte bereits auch bei einigen Themen mit Erfahrungen und Erfolgen aus der Vergangenheit aufwarten. Darunter seine Arbeit in Ausschüssen für Entwicklungshilfe, Antirassismus und als Frauenminister. Ich möchte hier einige seiner Positionen, die er in der Wahlarena erklärt hat, nochmal aufzählen:
Arbeitschancen für ältere Semster:
Eine Dame zwischen 50-60 Jahren meldete sich zu Wort und beklagte, dass es selbst für arbeitswillige und gut qualifizierte Menschen schwer ist einen Job zu bekommen, wenn sie jenseits der 50 sind. Hier fragte Laschet sie ein wenig aus und erfuhr wieviele Fortbildungen sie im Beruf in den letzten Jahren absolviert hatte. Daraufhin erklärte er, dass es ein Fehler der Wirtschaft sei auf die Kompetenz und Erfahrung dieser Generation zu oft zu verzichten. Nach einem kurzen flammenden Plädoyer für diese Gruppe wollte er, dass man ihm die Telefonnummer dieser beeindruckenden Dame zukommen lassen möge, denn er wolle sich um ihren Fall kümmern.
Wahlrecht für 16 jährige:
Die Frage kam von einem jungen engangierten Mann, der einen überdurchschnittlich interessierten Eindruck in Sachen Politik gemacht hatte. Würde sich Laschet für ein Wahlrecht ab 16 stark machen? Hier erklärte Laschet, dass die Volljährigkeit keine zufällige Zahl ist, sondern, man dies als geschäftsfähige Reife festgelegt hat. Und diese Reife müsse man auch für die Wahl voraussetzen. Es könne nicht sein, dass ein 16jähriger noch nicht die Reife hat einen Kauf- oder Mietvertrag zu unterzeichnen, aber trotzdem eine so tiefgreifende Entscheidung wie eine Bundestagswahl fällen könne. Diese Reife ist mit 16 Jahren noch nicht gegeben. Darüberhinaus konnte Laschet aufzählen, dass es bei den 18-22 jährigen eine ohnehin zu geringe Wahlbeteiligung gibt, weil es in dieser Gruppe zu wenig Interesse an Politik gibt. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, haben Minderjährige zumeist weniger eine eigene reflektierte Meinung, sondern tragen eher die sozialisierte Prägung aus dem Elternhaus als "eigene Meinung" vor sich her. Diese Prägung ändert sich erst signifikant wenn sie mehr eigene Verantwortung durch Beruf, eigene Wohnsituation und Lebenspartnerschaft übernehmen müssen.
Handelsbeziehung zu Russland und China:
Auf die Frage wie er als Kanzler mit Russland um China umgehen würde war seine Position, dass man in der Theorie natürlich alle Handelsbeziehungen abbrechen könnte, weil dort die Menschenrechte nicht geachtet würden. Aber die Beziehungen abzubrechen würde eher dazu führen, dass man überhaupt keinen Hebel mehr hätte um auf diese Staaten einzuwirken. An einen funktionierenden Handel könne man wenigstens noch Bedingungen knüpfen. Darüber hinaus bemerkte er, dass es in der Welt in der Tat mehr autoritär geführte Staaten gibt als Demokratien. Sich nur auf Demokratien zu beschränken würde den Handel enorm einschränken. Aber hier ist Armin Laschet die realistische Position, die Deutschland aktuell in der Welt hat, bewusst und die wird immer schwächer; nicht zuletzt auch wegen dem immer stärkeren Linksruck und der damit verbundenen Politik.
Freie Meinungäußerung:
Eine anonym-bleiben-wollende Zuschauerin stellte eine Frage zur freien Meinungsäußerung. Sie wollte wissen wie er als Kanzler eine Spaltung der Gesellschaft beim Thema Impfen verhindern würde. Denn ihre Angst vor der Impfung brächte für sie bereits ein gesellschaftliches Stigma mit sich, weshalb sie Angst hätte ihre Meinung zu äussern. Laschet hatte sich hier klar als Demokrat gezeigt und ihr gesagt, dass es für jeden Bürger möglich sein muss seine Meinung zu äußern auch wenn diese nicht dem Mainstream entspricht. Jeder muss sagen dürfen was er denkt. Das war nicht nur ein deutliches Bekenntnis zu Meinungsfreiheit und Pluralität, sondern auch ein klarer Seitenhieb auf die Cancel Culture und Gendersprache.
Blutspenden für Homosexuelle:
Er gab offen zu in diesem Thema nicht alle Fakten zu kennen – schon gar nicht medizinisch – sagte aber deutlich, dass er keine Logik darin sähe warum Homosexuelle in der heutigen Zeit nicht Blut spenden sollten. Er würde dies nochmal Jens Spahn vortragen, der aufgrund seiner eigenen Lebenssituation selbst Betroffener dieser Regelung ist und dort ein eigenes Interesse an einer Öffnung hätte.
Hochwasser im Ahrtal:
Hier machte ein Bürger darauf aufmerksam, dass nach dem Abklingen des Medienhype viele im Stich gelassen wurden. Daraufhin hat Laschet erklärt, dass die Gelder vom Bund bereits in den Ländern abrufbar sind und die Anträge extra möglichst simpel gehalten wurden. Er konnte sogar den Aufbau des Formulars detailiert beschreiben, weil es ihm ein persönliches Anliegen war, dieses mitzugestalten. Er wusste alle Zahlen und Beträge und war hier genauestens informiert. Darüberhinaus sprach er von sich aus an, dass für das Ausmaß der Schäden in NRW nicht genügend Handwerksbetriebe vorhanden wären um den Wiederaufbau zeitnah zu stemmen. Er erklärte, dass er aktuell an einem Pakt arbeite, mit dem man Handwerker aus dem gesamten Bundesgebiet ins Überschwemmungsgebiet holen will. Daran erkannte man, dass vieles an Arbeit, was ein Ministerpräsident erledigt, nicht ständig durch die Medien geistert, aber trotzdem getan wird! Gerade bei diesem Fragenteil ging er sehr genau auf den anwesenden Geschädigten ein und beantwortete alle Fragen sehr detailiert.
Rassismus, Integration und Inklusion:
Auf diese Frageblöcke antwortete er auch sehr souverän. Er positionierte sich bei Fragen zu Rassismus sehr eindeutig und stellte klar, dass er nicht nur für Bundesbürger, sondern auch für Menschen, die nicht hier geboren sind und keinen deutschen Pass haben, da sein wird. Er wäre ein Kanzler für alle die hier leben. Auf die Frage ob er mehr gegen Antirassismus tun würde, machte er deutlich, dass es bei diesem Problem nicht an Regelungen mangelt, denn Diskriminierung ist bereits per Gesetz verboten und ein Straftatbestand. Wer diskriminiert macht sich jetzt schon strafbar. Sollte man sich durch weitere Gesetze also noch strafbarer machen? Das ist Unfug und deshalb liess er dies nach seinem deutlichen Statement auch so stehen.
Beim Thema Inklusion sieht er ganz klar das Potential das von Menschen mit Handicap, in unterschiedlichsten Berufen, ausgeht. Allerdings darf man hier auch nicht die Kompetenzen eines Kanzlers und einer gewählten Regierung überschätzen. Eine Quote bei Ämtern und staatlichen sowie kommunalen Einrichtungen und Behörden, gibt es ja sowieso bereits. Solche Quoten für Schwerbehinderten-Planstellen in der Privatwirtschaft einzuführen wird hingegen nicht umsetzbar sein, weil die Betriebe zu verschieden sind. Ob man das Bewusstsein bei Unternehmern hier durch die Politik überhaupt nochmal schaffen kann halte ich für fraglich.
Jetzt kommen wir zu einem Punkt den ich für extrem dämlich hielt.
Eine Dame fragte ob ein, zum Kanzler gewählter, Laschet sich von seiner christlich geprägten Studentenverbindung lossagen und distanzieren würde. Wie auch mir, war sowohl den Moderatoren als auch einem sichtlich irritierten Armin Laschet nicht klar worauf diese Frage abzielen sollte. Ich persönlich kann nicht nachvollziehen was an einer Stundentenverbindung grundsätzlich verwerflich, ungesetzlich, unethisch oder gegen das Gesetz sein soll. Weil sie Studenten sind? Weil sie Christen sind? Weil sie sich auch Jahrzehnte nach dem Studium noch treffen und austauschen? Diese Frage ging klar in die Richtung, ihm, ohne irgendwelche konkreten Vorwürfe zu haben, Seilschaften und Korruption vorzuwerfen was völlig an den Haaren herbeigezogen war. Darauf reagiert er sehr souverän, was wohl auch die Zuschauerin bemerkte, weshalb sie dann halbgar hinterherschob, dass in dieser Verbindung aber keine Frauen wären. Da kam dann die Gender-Keule als Totschlagargument zum Einsatz. Ganz ehrlich, auf diese Frage hätte ich auch nicht geantwortet. Hier hat die Dame wirklich Sendezeit für eine sinnvolle Frage verschwendet. Wenn man nur drei Sekunden nachdenkt wird einem klar: Armin Laschet ist keine zwanzig mehr. Folglich hat er zu einer Zeit studiert als dies eben noch nicht so "woke" und "genderneutral" war wie man das heute gerne hätte. Soll er deshalb jetzt in der Zeit zurückreisen und das rückgängig machen? Soll er jetzt Personen in die Verbindung reinholen die zu seiner Studienzeit gar nicht Mitglied waren? Das führt eine STUDENTEN-Verbindung doch ad Absurdum. Es gibt einfach Dinge in der Verganheit die einfach nicht mehr zu ändern sind. Das muss auch die "Wokeness"-Bewegung zur Kenntnis nehmen. Hoffentlich ist sie dafür woke genug!
Ein letzter Punkt der mit persönlich regelrecht angwidert hatte, war, als eine 15jährige Klimaaktivistin ihre Fragen an Armin Laschet gerichtet hatte. Bei ihrer Frage war vom ersten Wort ab schon zu erkennen, dass hier keine 15jährige spricht. Das klang so gecoached und auswendig gelernt, dass mir die Gesichtzüge entgleist sind. Tatsächlich wurde einen Tag später in der Presse bekannt, dass sie tasächlich von einer Klimabewegung gecoached wurde. Das finde ich extrem unredlich! Wenn die Erwachsenen dieser Klimabewegung mit Laschet diskutieren wollen, dann sollen sie es tun. Aber eine 15jährige vorzuschicken um dem ganzen Szenario mehr Dramatik zu geben, ist genauso widerlich wie wenn Hesteller ihre neusten Kriegswaffen mit Babygesichtern bewerben würden. Hier versucht man die Jugendlichen zu instrumentalisieren und gegen die Erwachsenen, auch die Generation der eigenen Eltern, aufzuhetzen. Ich frage mich ernsthaft was in den Köpfen der Eltern vor sich geht, wenn sie es zulassen, dass ihr Kind in der Öffentlichkeit derart zu einem Instrument der Klimabewegung wird. Ich befürchte, dass hier der Stolz darüber, dass das eigene Kind wie Greta im TV sprechen darf, das Urteilsvermögen stark vernebelt hat. Ich bin mir sicher, dass dieses Kind nicht mal ansatzweise verstanden hat, was da gestern mit ihr passiert ist. Es gibt Grenzen der Redlichkeit die man einfach nicht überschreitet. Aber das haben diese Klimaaktivisten offensichtlich nie gelernt oder in ihrem Nebel aus Umweltarroganz komplett ausgeblendet. Nichts desto trotz hat Laschet hier souverän reagiert und ihre drei vorgebrachten Vorwürfe klar widerlegt. Dies wäre laut den Moderatoren heute auch im ARD Faktencheck nachprüfbar. Ausserdem hat er klar gezeichnet, wie seine Agenda der ersten 100 Tage diesbezüglich aussehen würde: Schnellere und vereinfachte Genehmigungsverfahren und einen beschleunigeten Ausbau des Bahnnetzes. Da konnte die unreife Aktivistin am Ende nur noch zustimmend nicken, weil ihr Coaching Team zu diesem Zeitpunkt bei ihr nicht mehr aktiv Muniton nachladen konnte. Das würde ich sagen ging, inklusive des anschließenden Skandals in der Presse, voll nach hinten los. Das zeigt aber mit welchen Methoden man in dieser Szene arbeitet. Das erinnert mich persönlich vom Charakter her etwas an die Tricksereien der Autoindustrie beim Dieselskandal...
Alles in Allem ein sehr sympathischer, unaufgeregter, redefreudiger und auskunftsbereiter Auftritt von Armin Laschet. So stelle ich mir einen Kanzler vor. Würde ich mich mit dem Mark Hofmann aus dem April 2021 unterhalten können, dann würde ich ihm sagen: Siehste Mark, Laschet kann doch Kanzler!
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