Natürlich bin ich hier in meinem Blog auch ein Klugscheisser. Aber es ist in der Rubrik "Gedanke des Tages" eigentlich klar – so hoffe ich zumindest – dass es sich hier nicht um wissenschaftliche Abhandlungen handelt, sondern eine Bürgermeinung. Mehr als das ist der Content von Rezo allerdings auch nicht. Er scheint das selbst aber offensichtlich nicht so zu sehen, und einige seiner Follower nehmen seinen Ausführungen für bare Münze. Sein Video "Die Zerstörung der CDU" war damals ein echter Medienhype, konnte dem Titel aber nie gerecht werden. Die CDU gibt es ja noch immer.
So reisserisch er den Titel auch fand, er kann ihn kaum ernst gemeint haben. Da sitzt ein rotznäsiger Naseweis mit blau gefärbter Tolle in seinem Kinderzimmer und kotzt sich gegen die CDU aus – Teils mit korrekten Fakten, teils mit Unwahrheiten. Das ganze gepaart mit links-ideologischem Denkansatz und falschen Schlussfolgerungen und jeder Menge Selbstbewusstsein scheint er einen Nerv bei einem Teil der jüngeren Generation getroffen zu haben. Ich gebe zu, dass er in der Tat die Fähigkeit hatte diese Zielgruppe mitzureissen, da er sich zumeist einer extrem jugendlichen Sprache bedient. Wenn man allerdings bedenkt, dass er bereits 28 ist, ist seine Art zu reden dann eher wieder etwas peinlich. Wie dem auch sei: er hat mit seinen Videos gehörig in der Scheisse herumgestochert und es hat eine Zeit lang auch fürchterlich gestunken. Vom linken Spektrum wurden seine Videos als grandios gefeiert, weil er eine Art zu reden und formulieren fand, auf die keine der Parteien bislang kam. Sie haben ihn gefeiert, weil er die jüngeren Generationen effektiver erreicht hat, als es z. B. die Grünen je konnten. Auch wenn sich die Grünen noch so jung und jugendlich fühlen wie in den 70ern, so sind sie doch in die Jahre gekommen und es ist offensichtlich, dass die Jugend mit einem grauhaarigen Jürgen Trittin nicht wirklich viel anfangen kann. Mit einem Rezo schon eher. So sehr ich CDU Wähler bin, so klar ist mir auch, dass auch in der CDU kein "jugendlicher" Wind weht. Die kläglichen Versuche einem stocksteifen und spießigen Philip Amthor den Anzug auszuziehen um ihn dann als Gegenstatement zu Rezo zu positionieren, war eine Idee, die sicher in keinem Thinktank entstanden ist. So weltfremd und ätzend mir Rezo erscheint, so authentisch ist er leider auch. Denn man kann nur das glaubhaft widerspiegeln was man Tag für Tag lebt. Folgerichtig ist Rezo eine absolut authentische und glaubhafte... ähm.. ja: Fehleinschätzung. Anders kann man es nicht sagen.
Die Geschichte um Rezo wird aber noch besser: Kürzlich muss er die Kanzlerkandidaten wohl zu einem Triell eingeladen haben. Alleine dies ist schon eine maßlose Selbstüberschätzung. Auch wenn er tatsächlich medial für Aufregung gesorgt hatte und daraus eine gewisse temporäre Prominenz erlangte, so war er trotzdem keine politische Instanz sondern einfach ein kleiner frustrierter Motzer. Und das reicht leider nicht für einen Zwischenstopp der Kanzlerkandidaten auf ihrem Weg ins Kanzleramt aus.
Auf die Frage wer nun Kanzler kann muss man sich einfach nur fragen was man sich von einem deutschen Kanzler erwartet. Ich erwarte mir von meinem Kanzler, dass er immensem Druck standhält. Ich erwarte eine klare Haltung. Sie muss nicht populistisch, reisserisch, angebiedert oder extrem sein. Ich finde sie muss in erster Linie konsistent und beharrlich sein. Das heisst für mich, er darf sich nicht leicht aus der Ruhe bringen lassen und er muss fokussiert sein Ziel im Auge behalten. Er muss politisch selbstbewusst sein und dies dadurch ausstrahlen, dass er sich nicht beim kleinsten Gegenwind versucht zu rechtfertigen, Ausflüchte zu suchen und Kritikern kleinbeizugeben – ja gar nach dem Mund zu reden. Ich erwarte vor allem aber, dass ein Kanzler erkennt was wichtig ist und was nicht. Das Erkennen und Einordnen von Prioritäten ist essentiell um den dringenden Problemen begegnen zu können. Dass Armin Laschet durch die Absage an Rezo klar sagt, dass er ihn nicht für wichtig erachtet finde ich ein richtiges Zeichen. Natürlich könnte man jetzt entgegnen, dass jede Meinung wichtig ist, und somit auch Rezo wichtig wäre. Dem stimme ich prinzipiell auch zu, aber auch die Lebenszeit eines Kanzlerkandidaten ist eben nur begrenzt. Und so kann sich auch ein Armin Laschet nicht mit 82 Millionen Deutschen persönlich im Einzelgespräch auseinandersetzen, das liegt einfach in der Natur der Sache. So sehr ich meinen Blog liebe und so gerne ich meine Meinung nierderschreibe, so klar ist mir auch, dass es eine massive Selbstüberschätzung wäre deshalb jetzt die Kandidaten zum Triell nach Nürnberg in meine heiligen Hallen einzuladen. Diese Relevanz habe ich nicht und die hat auch ein Rezo nicht. Die Tatsache, dass Baerbock und Scholz dieser Einladung des blaugefärbten Youtubers gefolgt wären, zeigt deutlich wie fehlgeleitet deren Urteilsvermögen ist. Für die Grünen war seit langem klar, dass sie bei vielen Erwachsenen die voll im Leben stehen weniger punkten als bei Jugendlichen deren Verantwortungslast noch bei deren Eltern liegt. Das ist auch der Grund warum sie so massiv darauf drängen das Wahlalter zu senken. Erst war 16 im Gespräch und dann wollte man unbedingt 14, was auf dem letzten Parteitag dann aber abgelehnt wurde. Aber das zeigt, dass einige in der Partei Grönemeyers "Kinder and die Macht" als inoffizielle Parteihymne ausgegeben haben und man, wenn es denn ginge, sogar den Rattenfänger aus Hameln engagieren würde um die Stimmen der Jugend zu bekommen. Warum also nicht zu Rezo fahren und sich dort den Heranwachsenden anbiedern. Bei der SPD stehen Esken und Walter-Borjans ohnehin mit dem abgerissenen Steuerrad in der Hand auf der Bordbrücke und haben absolut keine Ahnung wo der Kahn aktuell hintreibt. Da nimmt man in der eigenen Verzweiflung alles mit was einem auch nur halbwegs nach neuer Zielgruppe oder Wählerstimme riecht.
Ob das am Ende zielführend ist wage ich zu bezweifeln. Es hat sich in der Vergangeheit immer gezeigt, dass es für ein erfolgreiches Erreichen der eigenen Wählerschaft auch ein gewisses Moderationsniveau braucht. Bei Formaten die zu ungeordnet ablaufen, verstricken sich Politiker oft im Klein-Klein und lassen sich auf extrem kleinteilige Diskussionen ein die zu nichts führen. Nicht, dass ich Armin Laschet nicht zutrauen würde in einer Diskussion mit einem normalen Bürger zu bestehen – davon bin ich überzeugt – die Frage ist eher welchen Mehrwert dieses Treffen für den Zuschauer hätte. Ich hätte nichts dagegen in einem kultivierten Talkformat alle drei Kandidaten zu sehen und fände es sogar gut wenn dort Rezo seine Zielgruppe repräsentieren würde. Wenn dann für die anderen Zielgruppen auch jeweils Vertreter zugegen wären fände ich das noch besser. Dann müsste ein Dieter Kempf die Wirtschaft, ein Til Brönner die Künstler und ein Gewerkschafter die Arbeiter verteten dürfen. Dann wäre interessant, was dort von einem Rezo noch übrig bleibt, und ob er sich in einem Umfeld außerhalb seines selbst kontrollierten Settings überhaupt behaupten kann. Die Sache umzukehren, und alle drei Kandidaten in sein Kinderzimmer zu setzen halte ich für total daneben, auch wenn ich mir sicher bin, dass sich Annalena Baerbock dort perfekt einfügen würde.
Also ist klar, dass die Absage Laschets an Rezo keine Feigheit vor dem großen Youtuber ist, sondern es ist eine staatsmännische Einschätzung dessen was der Mann mit der blauen Tolle für eine Relevanz für unsere Zukunft hat: Nämlich keine. Alleine dieser Vorfall zeigt mir genau wer von den drei Kandidaten wirklich Kanzler kann und wer nicht. Noch Fragen?
Kommentar schreiben