Ich bin mal wieder hochgrading genervt. Viele meiner Mitbürger verstehen sich gerne als Schneeflocke und glauben sie wären am Limit ihrer Freiheit und echte Individualisten. Davon kann ich aktuell mal wieder NICHTS erkennen. Ich stehe nämlich aktuell auf einem Campingplatz in Waging am See und suche verzweifelt nach der Individualität in meinen Mitmenschen. Vergeblich.
Es ist schon sehr absurd was sie alles unternehmen um als Individuum wahrgenommen zu werden. Dass sie sich dafür aber in einen Gleichschritt mit anderen begeben bemerken sie dabei nicht. Ich persönlich finde es nämlich ziemich absurd in der Gleichheit die Individualität zu suchen. Als ich auf dem Platz ankam und meine erste Runde gedreht hatte, fielen mir direkt mehre dieser Seltsamkeiten auf, die auf mich nahezu zwanghaft wirken. Anstatt Dinge zu tun die andere nicht tun, wird alles an Trends nachgeäfft was man wo anders aufgeschnappt hat. Ich frage mich da ernsthaft ob Menschen ihr Verhalten überhaupt noch irgendwie reflektieren oder ob man nur noch reflexartig reagiert.
Wie bei uns zu Hause in der Stadt zeigte sich auch hier, dass die Männer im Einheitslook daher kamen: Bart, Brille, Basecap und die Arme zutätowiert als wären sie alle hochdekorierte Members eines berüchtigten Motorradcharters. Wie soll man diese Leute auseinanderhalten, wenn sie in ihrem Drang nach Individualität noch gleicher aussehen als vor ihrem Styling? Für mich sieht von diesen Leuten einer aus wie der andere. Dass sie alle Shirts von Superdry tragen hilft mir dabei auch nicht wirklich sie auseinanderzuhalten. Ich könnte sicherlich versuchen sie an der Farbe ihrer Cube E-Bikes auseinander zu halten, aber anscheinend bietet Cube nur 4 Farben an. Das funktioniert also auch nicht.
So ziemlich jeder dieser Zeitgenossen hat entweder seinen Wohnwagen mit samt Vorzelt und Vollausstattung (bis zur Mikrowelle) dabei oder zwängt seinen ganzen Schrott in seinen viel zu kleinen Bulli. Aber eines haben sie gemein: Das erste was ihnen in den Sinn zu kommen scheint, ist das Anschüren des Grills. Ich selbst bin auch bekennender Fleischesser aber was dort vor sich geht drückt selbst mir die Kotzbröcklein knapp unter den Kehlkopf. Aus jeder Ecke des Campingplatzes stinkt es so penetrant nach Grillfleisch, dass es kaum mehr auszuhalten ist. Normalerweise ist der Geruch von Grillgut angenehm und es läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Das ist hier nicht so. Weshalb das so nach hinten losging bestätigte sich wiedermal bei unserem Besuch im Supermarkt. Dort gibt es nämlich zentnerweise fertig mariniertes Grillgut in eingeschweisster Form. Da ich selbst schon einmal auf diesen Müll reingefallen bin, weiss ich, was dieses Zeug für eine billige Qualität hat. Hier geht es mit der Marinade nicht darum dem Fleisch einen leckeren Geschmack zu geben, sondern eher darum den Zustand des Fleisches zu verschleiern. Aber gerade diese Marinaden sind es die auf den hunderten Grills verbrennen lange bevor das Fleisch gar ist. Das führt zu diesem bestialischen Gestank! Hier wird offenkundig, dass diese Leute weder wissen wie gutes Fleisch schmecken muss, noch wie man es richtig zubereitet. Hauptsache den neuen Gasgrill auspacken und den großen Grillmeister mimen. Da fühlt sich manch einer genauso männlich wie Tim Taylor und würde während seiner Zwangsbegrillung gerne im Chor mit seinen Campingkollegen grunzen. Davon, dass einige diese Knetköpfe dann auch noch ihr Bier über den Grill kippen, weil sie sich sicher sind sie könnten das Aroma ihrer Supermarktplörre auf dem Fleisch schmecken, ganz zu schweigen. Aber vielleicht reisst es ja der abgepackte Supermarkt Nudelsalat für 79Cent pro Zentner noch rum.
Für mich ist dieser Gestank hier einfach unerträglich und verdirbt mir, als Fleischesser mit Anspruch, das Fleischessen ganz allgemein. Ich bin sowas von bedient! Heute gibts erstmal Tomatenreis...
Das nächste was mir direkt auffällt, ist dieses nervige Geräusch aus allen Ecken des Campingplatzes: ffft ffft ffft ffft ffft ffft.... Was zur Hölle ist das, das kommt von überall?! Ein Blick in die Runde zeigt es: klar, alle haben diese bescheuerten SUPs und pumpen sie auf. Für die unter uns die es nicht wissen, das ist die Abkürzung für Stand Up Paddeling. Das sind aufblasbare Surfbretter auf die man sich stellt um im Stehen zu paddeln? Ich weiss nicht wer sich so einen Quatsch ausdenkt? Entweder ist er zu ungeschickt um wirklich zu surfen, oder er hat Angst vor den Wellen an Portugals Algarve. Beobachtet man die Leute dabei wie sie ihre SUP-Outfits anlegen und ihre Bretter aufpusten, wirkt das Ganze schon sehr sportlich. Aber nichts desto trotz hat das für mich nicht wirklich viel mit Sport zu tun, denn betrachten wir es mal nüchtern: sie stehen auf ihren Brettern wie angewurzelt! Auf meinem Weg zum Campingplatz-Waschhaus habe ich mich mehr bewegt als die.
Auch wenn auf einem bayerischen See kein Wind zum Surfen weht, warum sollte ich auf so einen dämlichen Brett stehen und paddeln wenn ich das in einem Schlauchboot im sitzen kann? Ah stimmt, Schauchboot ist altmodisch und uncool und SUP fahren ist dagegen modern und hip. Da ich nicht mal im Stehen pinkle werde ich auch nicht im Stehen paddeln. Diesen Trend fände ich nicht einmal cool, wenn diese ganzen SUPs aus Millionen recycelten Antigentests hergestellt würden. Das ist einfach totaler Käse, Basta.
Ich selbst ernte immer wieder staunende Blicke. Ich weiss ehrlich gesagt nicht genau warum. An meinem auffälligen selbstgebauten Wohnmobil mit Blues-Brothers Motiv oder an unserem schneeweißen selbstgebauten BMX-Tandem mit Skyway-Felgen kann es bestimmt nicht liegen. Das habe schließlich nur ich, also kann das so individuell nicht sein. Dass Leute schon gefragt haben was ich koche, kann nicht daran liegen dass ich nicht grille sondern koche. Irgendwas mache ich wohl falsch. Viel individueller sind da eher die tätowierten Menschen mit Cap, Brille und Bart die ihre SUPs durch die Gegend tragen und dann jeden Abend Grillen. Ich beneide sie zutiefst um ihre Hipness und Individualität.
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