Ich muss mich fast schon dafür schämen zuzugeben, dass ich bei der letzten Landtagswahl der CSU meine Stimme gegeben hatte. Mit einem Augenzwinkern habe ich früher immer gesagt "Wer in Bayern nicht CSU wählt, sollte rausgeschmissen werden." Diese Art von Scherz würde mir heute im Halse stecken bleiben. Ich war seit meinem 18. Lebensjahr immer Wähler der CSU. Ich bin Bayer mit Leib und Seele und war auch immer sehr stolz darauf, wie es bei uns in Bayern läuft. Aber Bravo Herr Söder, Sie haben es geschafft, dass ich mich für Bayern schäme!
Ich war schon kein großer Freund von Herrn Seehofer. Bei ihm hatte ich immer den Eindruck er würde es niemand anderem überlassen in zu karikieren und seine Karikatur lieber gleich selbst spielen. Oftmals hatte er einen derart seltsamen Eindruck vermittelt, dass man das Gefühl hatte er wüsste nicht genau wo er gerade ist, und es würde jeden Moment ein Pfleger ins Bild kommen. Ich war regelrecht erleichtert als er von Markus Söder abgelöst wurde. Dieses erleichterte Gefühl habe ich leider in den letzten 6 Monaten gänzlich verloren. Wir haben mittlerweile einen Ministerpräsidenten dessen Verhalten rational nicht mehr erklärbar ist. Ich werde es trotzdem versuchen.
Bis zum Beginn der Corona-Pandemie, war es eigentlich Common-Knowledge, dass ein Bayer in Deutschland niemals Kanzler wird. So kann auch ein Markus Söder sich zwar glücklich gefühlt haben es bis auf den Stuhl des Ministerpräsidenten geschafft zu haben, aber eine Kanzlerschaft dürfte in seiner Vorstellung keine große Rolle gespielt haben. Als die Pandemie langsam an Fahrt aufnahm, hat Markus Söder ein paar Entscheidungen getroffen die zum damaligen Wissensstand angemessen und angebracht waren. Das Gefühl, dass diese Entscheidungen vermittelt haben, war auch, dass diese für Bayern getroffen wurden. Aber aus irgendeinem Grund haben ein paar Journalisten in ihrer unendlichen Weisheit geglaubt Dinge zu sehen die keinem ausser ihnen aufgefallen sind, und einem Herrn Söder Ambitionen auf die Kanzlerschaft angedichtet. Dieses saudumme Geschwätz wurde dann so oft wiederholt und von anderen Journalisten aufgegriffen bis sich daraus eine echte Debatte entwickelt hat. Aber noch zu Beginn der Debatte, hatte Söder diese Aussagen tatsächlich noch mit den relativ klaren Worten "Mein Platz ist in Bayern" versucht zu entkräften. Bis dahin habe ich einen Großteil seiner politischen Entscheidungen auch noch mitgetragen. Aber auf dem Weg bis zur Gegenwart hat diese Diskussion immer mehr an Fahrt aufgenommen, und was man an Söders Veränderung in seinem Verhalten ablesen kann ist, dass er mittlerweile diesen Mist von der Kanzlerkandidatur tatsächlich zu glauben scheint. Sein Verhalten hat sich nämlich insofern verändert, dass er nicht mehr Entscheidungen trifft um für Bayern keine Zeit zu verlieren, sondern er treibt ganz Deutschland vor sich her um seine Entscheidungen im ganzen Land durchzusetzen. In seiner Vorstellung soll das wohl allen zeigen, dass er Entscheidungen für ein ganzes Land treffen könne. Auch wenn seine Beschlüsse offenkundiger Unsinn sind, geht seine Strategie insofern auf, er das Chaos in der CDU noch befeuert, und in die Wahl zum Parteivorsitzenden gehörig Unruhe rein bringt. Und das mehrt die Stimmen die eine Kanzlerschaft Söders als mögliches Szenario beschreiben. Und diese Art von Diskussion scheint Söder nicht nur davon überzeugt zu haben, dass er tatsächlich der erste Bayer im Kanzerlamt werden könnte, nein, sein Verhalten zeigt eher, dass er glaubt schon Kanzler zu sein. Denn seine Antworten auf die Frage ob er sich eine Kanzlerschaft vorstellen könnte, sind keine eindeutigen Dementi wie im April sondern extrem schwammige Nicht-Antworten, die tatsächlich frei interpretierbar sind. In seinen Statements ist die Hintertür soweit offen, dass er seine neu gewonnene Ambition auch unausgesprochen nicht mehr verbergen kann. Was er dabei nicht erkennen kann oder will, ist, dass das was ihn zu Beginn der Pandemie in den Umfragen nach oben gebracht hat, keine Strategie, sondern Glückstreffer waren. Dies kurzerhand zu einem Erfolgsmodell zu erklären und so blindlings weiterzumachen, in der Hoffnung, dass die Sympathien weiter zunehmen würden, könnte sich als Rohrkrepierer erweisen. Er wird den Bogen überspannen, was ihn im schlimmsten Fall sogar in Bayern beschädigt.
Was Söder aber eindeutig für eine Kanzlerschaft disqualifiziert ist die Tarsache, dass er provinziell denkt. Seine Ausführungen offenbaren, dass ihm jegliches internationales Denken fehlt. Seine internationale Kompetenz endet an der Österreichischen Grenze, wenn er sich zu Äusserungen hinreissen lässt wie ".. die Zahlen in Bayern sind so hoch weil wir an der Grenze zu Österreich sind." Als Kanzler Kurz wäre ich einem Ministerpräsidenten Söder mit nacktem Arsch ins Gesicht gespungen und hätte ihn postwendend gefragt, ob es nicht eher auch möglich wäre, dass die Zahlen in Österreich so hoch sind weil es an Bayern grenzt. Aber nicht nur, dass ein Markus Söder auf interantionaler Bühne ein eher beängstigend kurzsichtiges Bild abgibt; er versteht auch die Bürger von Deutschland ganz offensichtlich nicht. Er erreicht die Bürger nicht durch Begeisterung, sondern fährt eine Rhetorik wie sie nur ein Donald Trump noch abstoßender von sich hätte geben können. Die Ähnlichkeit ist mittlerweile frappierend: Minister werden vor Ultimaten gestellt oder abgesägt. Es werden Schreckensszenarien beschrieben von Pestilenzen die in alle Ritzen kriechen, und er glaubt für unsere Rentner den Todeszeitpunkt planen zu können. Trumps Einwanderer-Rhetorik war keinen Deut schlimmer. Und Bürger die seine Maßnahmen nicht ohne Vorbehalt mittragen werden zu potentiellen Terroristen erklärt. Das erinnert mich stark an die Argumentation aus dem Weißen Haus als alle Trump Gegner als linksliberale Landesfeinde bezeichnet wurden. Hier spaltet ein Herr Söder die Bevölkerung auf nicht minder problematische Weise. Seine Corona-Beschlüsse fühlen sich für mich exakt genauso an wie Trumps Alleingänge an den politischen Institutionen vorbei, in Form von Dekreten, nur ohne die großkotzige Unterschrift. So darf ein "Kanzler "nicht mit seinen gesetzestreuen Bürgern umgehen. Es ist ein Unterschied von oben zu regieren, oder von oben herab zu regieren. Und letzteres passt auf Markus Söder genauso gut wie auf Herrn Trump. Ein Herr Söder kann diese ganzen konzeptlosen Regeln beschliessen und ich muss mich natürlich daran halten. Aber in meinem Kopf hat auch ER nichts zu suchen. So lange ich mich an das Gesetz halte, darf ich immernoch denken was ich will! Und ich darf immernoch richtig finden was ich richtig finde.
Und jetzt bitte ich, man möge mir haarklein erklären warum ich mich irre. Ich sehe den Unterschied zu Trump leider nicht mehr. Und wir können nicht einerseits jubeln, dass Trump aus dem Amt gejagt wurde, und dann im nächsten Moment Söder ins Kanzleramt tragen. Und dann noch glauben, dass dies zwei unterschiedliche Dinge sind.
Wir brauchen für Söder keine Amtsenthebung sondern eine Nicht-ins-Amt-Hebung!
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