CDU vs. Europa

Es war für mich eine peinliche Posse, als die SPD-Spitzenkandidaten, in 2019 in Duetts durch ganz Deutschland getanzt sind, um sich auf den Regionalkonferenzen den Parteimitgliedern zu präsentieren. Eigentlich dachte ich schlimmer und peinlicher geht es nicht mehr. Nicht mal ansatzweise hätte ich mir vorstellen können, dass so ein Geziehe in der CDU möglich wäre. Dass die CDU dies aber noch viel schlimmer kann, wird jetzt deutlich. Aber ist das nur ein Problem für die CDU oder zieht das so weitreichende Kreise, wie ein Stein den man in stilles Gewässer wirft?

 

Die Coronakrise gilt ja in vielen Belangen nicht als Ursache sondern eher als Vergrößerungsglas für bestehende Probleme. Dass die CDU nach 15 Jahren strikter Führung versucht haben muss, die Parteiführung auf "autonomes Fahren" umzustellen, hat die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer in 2018 vermuten lassen. Ihre Bestätigung zur Parteichefin war nicht nur mutlos sondern hat sie als neue Parteichefin fast schon durchsichtig gemacht. Man konnte Jahrzehnte so einiges über die CDU sagen, aber so profillos war sie noch nie. Ich könnte mich jetzt hier hinstellen und behaupten ich habe AKKs Ende am Tag ihrer Wahl bereits am Horizont erkennen können, aber so weit will ich nicht gehen. Mir genügt es zu erwähnen, dass mich ihr frühzeitiges politisches Ende nicht erstaunt hat. Man hätte zu Zeiten von Helmut Kohl vermutlich innerhalb weniger Tage einen neuen Kandidaten benannt und ins Amt gebracht, um nicht bei 100km auf der Autobahn festzustellen, dass keiner auf dem Fahrersitz sitzt um das Steuer festzuhalten. Aber, in der CDU wurden lange Zeit alle, die einer agilen und aktiven Angela Merkel auch nur ansatzweise gefährlich hätten werden können, ausgesiebt, vergrault oder demontiert. Als Jahre später eine bei Staatsempfängen zitternde Bundeskanzlerin Merkel dann doch feststellen musste, dass auch ihr irgendwann die Puste ausgehen würde, fand sich adhoc niemand der das Format haben würde sie zeitnah zu beerben. Ein echtes Dilemma.

 

Wer nun aber denkt, dass dies nur für die CDU ein Problem war, der täuscht sich gewaltig. Es ist nämlich ein Irrglaube, dass eine Schwächung der CDU automatisch eine Stärkung der SPD bedeuten würde. Die stetige Verlagerung der Parteipolitik nach Links der Mitte, durch Angela Merkel, hat das Gleichgewicht der politischen Waage insgesamt stark nach links verlagert. Dadurch wurde die Sozialdemokratie zwischen der "linken CDU" und der Partei Die Linke regelrecht zerrieben. Der Markenkern der SPD wurde kurzerhand auf Die Linke und die CDU aufgeteilt. DIe Schwächung der SPD war aber nicht der einzige Nachteil für die CDU. Es war nun auch der Bereich rechts der Mitte offen. Dieser wurde für ehemalige CDU-Mitglieder denen der neue Kurs zu links war, zur neuen Heimat. Die Gründung der AFD war unausweichlich. Frei nach dem Motto "weg gegangen, Platz gefangen" war eine Rückkehr der CDU zu ihren alten Wurzeln nicht nur nicht mehr gewollt, sondern auch nicht mehr möglich. Was sich in der SPD-Ära nach Schröder gezeigt hatte, war dass die SPD sich zumeist über die CDU definiert hat. Man hatte sich lange damit begnügt die Gegenveranstaltung zur CDU zu spielen anstatt sich ein eigenes Profil zuzulegen und sich neu zu erfinden.

 

Aber was hat das mit Europa zu tun? Sieht man auf die Anfänge der Merkel-Ära zurück, erkennt man trotz des krassen Kurswechsels eine überaus starke Kanzlerin in einer gestärkten CDU, die ihre Vorstellungen relativ souverän umsetzen konnte. Diese Stärke hat vielen in der EU zwar nicht sonderlich geschmeckt, aber trotzdem hat die gesamte Europäische Union von den deutschen Vorstellungen von Europa durchaus profitiert. Auch wenn vielen südlichen Staaten die deutsche Haltung gegenüber Griechenland in 2008/2009 wenig gepasst haben mag, hat die deutsche Strenge uns in relativ kurzer Zeit aus der Krise geholt. Das überaus weitsichtige Handeln von Angela Merkel auf internationaler Ebene, hat Deutschland eine gewisse Führungsrolle eingebracht. Zwar wurde sie von der Presse weltweit oft dafür gescholten, aber dieses trotzige Verhalten kann man werten, wie die Trotzreaktion eines Minderjährigen der sich angegriffen fühlt, wenn seine Eltern einfach besser wissen was für ihn gut ist. Und oftmals ist es so, dass dieses Trotzverhalten nicht einer Ablehnung gegenüber den Eltern entspringt, sondern dem Sicherheitsnetz dass einem das Elternhaus bietet. Ich will damit sagen, die anderen Staaten waren zwar in ihrem Stolz etwas angekratzt, wissen aber genau, dass es ihnen ohne das Eingreifen Deutschlands viel schlechter ergangen wäre.

 

Diese wichtige Position haben wir aber bereits mit der Wahl von AKK eingebüßt. Wer glaubt, dass "Eltern" einfach so durch andere "Autoritätspersonen" ersetzbar sind, nur weil sie sich die Kleider der Eltern anziehen, möge bitte nochmal darüber nachdenken. Das frühe Aufgeben von Kramp-Karrenbauer hat die Situation zusätzlich noch befeuert. Spätestens hier hätte es eine schnelle und deutliche Entscheidung gebraucht um ein klares Zeichen an alle zu senden. Aber leider ist auch dies ausgeblieben. Auch schon vor Corona hatte sich angedeutet, dass die CDU aus der SPD-Komödie von 2019 nichts gelernt hat. Dieses "basisdemokratische Verständnis" das man mit einer Tournee durch Deutschland vermitteln will, wirkt bei genauerer Betrachtung eher zweifelnd und unsicher, anstatt nach einer Befragung der Basis. Eigentlich drückt es aus, dass zu diesem Zeitpunkt die Parteiführung den Kontakt zur Basis schon zu lange verloren hatte, und nicht mehr abschätzen konnte wie die Partei tickt. In diesem Stadium erst zu versuchen die eigene Partiel neu kennenzulernen hinterlässt nicht nur in Deutschland einen faden Beigeschmack. Um zur Metapher mit Eltern und Kind zurückzukehren, könnte man sagen, die Eltern waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass der Nachwuchs sich so richtig austoben konnte. Natürlich testet der Nachwuchs seine Grenzen aus wenn die Eltern unaufmerksam sind, das heisst aber weder, dass es ihnen gut täte, noch dass sie diese neu gewonnene Unabhängigkeit geniessen können. Immerhin spüren sie unterbewusst, dass diese mangelnde Zuwendung auch eine gewisse Schutzlosigkeit bedeutet. Aber wie meine ich das?

 

Seit der Corona Pandemie waren in Deutschland unzählige essentielle Entscheidungen zu treffen. Es wurden zwar Dinge beschlossen aber wirkliche Entscheidungen wurden nur wenige getroffen. Was mich daran am meisten besorgt ist, dass diese nicht aus persönlicher Überzeugung der Verantwortlichen getroffen wurden, sondern aus deren politischer Furcht. Da sich hier einige Kandidaten offen, und andere eher verholen, für Parteivorsitz und Kanzleramt empfehlen, werden deren Entscheidungen eher davon geleitet, welche am wenigsten verfänglich und am wenigsten gefährlich sind. Heutzutage bekommen Politker auch keine Zweite Chance und jeglicher Fehltritt, falsche Formulierung oder verfängliche Positionierung kann im Prinzip einen sofortigen Imageverlust in den Medien bedeuten. Somit ist in diesem Stadium eine souveräne und mutige Entscheidung kaum möglich. Weil die bekannten Bewerber nicht wissen, wer schlußendlich wirklich alles nach der Kanzlerkandidatur greifen wird, wird auch das Amt des Parteivorsitzenden nicht mehr so verstanden wie es jahrzehntelang verstanden wurde. Die automatische Kanzlerkandidatur des Parteivorsitzenden gilt heute nicht mehr als gesetzt. Trotzdem war zu Beginn der Pandemie die Hoffnung groß, dass sich dieses parteipolitsche Gerödel im Laufe der Pandemie verlieren würde, und man wirklich Mut beweisen würde. Aber alle die das gehofft hatten wurden maßlos enttäuscht. Von Beginn an war zu spüren, dass jede Entscheidung zögerlich und wenig mutig ist. Da von der regierenden CDU wenig mutige Impulse kamen, war die SPD auch in keiner Position einen starken Counterpart zu spielen. Somit wird in der aktuellen Regierung auch solange keine mutige Entscheidung zu erwarten sein bis die offenen Fragen der CDU geklärt sind und sich endlich eine klare Line offenbart. Und diese Mutlosigkeit ist es aktuell, die man in der ganzen EU spüren kann. Mit der Pandemie vollends ausgelastet, bleiben alle europäischen Belange an einer farblosen Ursula von der Leyen hängen, von der in der EU auch jeder weiß, dass ihr dieser Posten nicht mal ansatzweise zusteht. Diese, in hohem Maße ehrlose Personal-Charade muss jedem echten Demokraten, mit einem Mindestmaß an Anstand, bitter aufgestoßen sein. Somit fühlt sich für mich die Rolle unserer ehemals glanzlosen Verteidigungsministerin auch maximal geschwächt an. Mit starkem Rückhalt einer Deutschen Regierung braucht auch sie in nächster Zeit nicht zu rechnen. Somit passiert an dieser Front auch nichts was einen echten Wandel herbeiführen kann. Deshalb musste auch, um das Rumgeeiere im Brexit endlich zu einem Ende zu bringen, wiedermal unsere müde Kanzlerin einen letzten echten Kraftakt bewältigen. Von einer EU-weit einheitlichen Pandemie-Strategie sind wir trotzdem Lichtjahre entfernt.

 

Man stelle sich vor, dass vor der Pandemie eine Entscheidung um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur zu Gunsten Friedrich Merz getroffen worden wäre. Dann wäre an dieser Stelle jegliches Vorsitz-Gezanke abgeschlossen gewesen und ein Parteivorsitzender Merz hätte in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg seine klare Linie definieren können. Da seine Entscheidungen nicht mehr direkt von irgendwelchen Umfragewerten gesteuert würden, könnte er souverän seinen Kurs verfolgen und gäbe sowohl dem Koalitionspartner als auch der Opposition Fakten an denen sie sich abarbeiten könnten. Mit seinem Background in der Wirtschaft, wäre auch klar, dass eine Abwägung zwischen Ethik und Wirtschaft stattfinden müsste, was sicherlich ein Echo bis nach Europa hätte. Eine starke CDU in Parteispitze und Kanzleramt wäre sicher auch für eine noch so fade Kommissionspräsidentin der CDU eine willkommene Unterstüzung.

 

Es bleibt zu hoffen, dass die wirklich wichtigen Entscheidungen für Europa, in der CDU-Zentrale endlich entschieden werden. Und zu hoffen bleibt auch, dass die Entscheidungen mutig und eindeutig sind. Mit parteiinternem Geschachere zwischen CDU und CSU ist niemandem gedient außer einigen Poliker-Egos. Dem Bürger, der seit Langem auf eine Wende wartet, wäre damit nicht gedient...

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