Wir alle mussten vier Jahre Donald Trump ertragen und waren jede neue Nachricht über den Mann mit der vom Wind verwehten Frisur leid. Wir waren regelrecht genervt davon, von ihm irgendetwas zu hören. Wir konnten sein Verhalten nicht nachvollziehen, fanden ihn selbst rüpelhaft und die Inszenierung seiner Präsidentschaft war ein mehr als bizarres Schauspiel. Ja, so einen wie Trump hat die Welt noch nicht gesehen.
Ich gebe ehrlich zu, ich war 2016 von seiner Wahl nicht sehr überrascht. Die Amerikaner waren schon immer angetan von ihren Stars. Kompetenz schien schon in der 80ern bei Reagan nicht das Kriterium zu sein. Seine Beliebtheit als Schauspieler schien den Wählern auszureichen. Gleiches galt auch für Schwarzenegger bei seiner Wahl zum Gouverneur, welcher selbst ein Meister der Selbstinszenierung war, und immer noch ist. Da Trump mit "The Apprentice" unfassbar hohe Einschaltquoten hatte und echte Stars sich bei ihm als Praktikant die Klinke in die Hand gaben, um sich öffentlich erniedrigen zu lassen, war klar: die Amerikaner mögen ihren Trump!
Für mich war es klar, dass Trump kein Präsident sein würde, der mit diplomatischem Talent oder ökonomischer Expertise glänzen würde. Es war anzunehmen dass er einer sein würde, der gerne in der Scheisse herumstochert, um sich am Gestank zu erfreuen. Ich war mir aber völlig sicher, dass er trotzdem nicht schalten und walten kann wie er will. Deshalb hatte ich vor seiner Präsidentschaft keine große Angst, weil ich Vertrauen in die Checks und Balances hatte. Natürlich würde er vieles versuchen, aber ein Präsident ist in einen Staatsapparat eingebunden, der es ihm unmöglich macht zu regieren wie ein König. Und in der Tat, das konnte Trump auch nie.
Was ich aber ehrlicher Weise nicht auf dem Schirm hatte, war, wie sehr dieser Rüpel das politische Klima vergiften würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich diese misanthropische und selbstherrliche Rhetorik unter anderen Politikern verbreiten würde wie ein Virus. Und mir war auch nicht klar wie soziopathisch und offen verlogen dieser Mann wirklich ist. Aber, dass diese Legislaturperiode für die Welt so katatrophal gelaufen ist, ist meiner Ansicht nach nicht allein seine Schuld. Man erinnere sich an den Wahlabend als sich Trump rügen lassen musste dafür, dass er die Wahl gewonnen hatte. Ihm wurde im Vorfeld, bevor er irgendeine Amtshandlung vollzogen hatte, sofort das Vertrauen abgesprochen. Deutsche Politiker haben noch vor seiner Vereidigung in öffentlichen Statements die Einhaltung der Menschenrechte eingefordert, und sich auf herablassende Weise gegen ihn positioniert. Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, ob die deutsche Politik bei irgendeinem US-Präsidenten zuvor jemals solche Statements abgegeben hat? Wir dürfen nicht vergessen: die USA sind nicht Somalia oder der Afghanistan. Die USA sind eine Demokratie von der wir vieles gelernt haben. Die USA, und auch ein demokratisch gewählter Präsident, hätten mehr Respekt verdient. Denn Trump hatte sich nicht durch einen Staatsstreich ins Amt geputscht, sondern das Volk hat ihn ins Amt gewählt. Wohlgemerkt: ich spreche immernoch von 2016, nicht von 2020! Respekt vor dem Gewählten ist also gleichbedeutend mit dem Respekt vor dem wählenden Volk.
Wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir mit unserem vertrauensvernichtenden Verhalten, das Verhalten von Trump in hohem Maße befeuert und mitgeprägt haben! Wir haben für Donald Trump von Anfang an ein Klima geschaffen, dass von Mißtrauen und Ablehnung geprägt war. Wohlgemerkt; zu diesem Zeitpunkt war Trump lediglich ein vom Volk demokratisch gewählter Präsident. Nicht mehr nicht weniger. Diese herablassenden Statements von z. B. Heiko Maas und Frank-Walter Steinmeier haben bei Trump ein richtig trotziges Verhalten entfacht das im Nachhinein nicht mehr einzufangen war. Speziell das deutsch- amerikanische Verhältnis war bereits vor der Amtseinführung komplett zerrüttet. Und das ging nicht von den USA aus. Ich will Donald Trump keinesfalls in Schutz nehmen, denn wenn man in 20 Jahren von seinen Missetaten erzählen wird, dann wird man uns fragen ob er denn 30 Jahre lang Präsident war. Keiner wird glauben, dass all dies in vier Jahren passiert ist. Aber ich finde die Frage berechtigt, ob Trump sich so verhalten hätte können, wenn wir uns ihm wohlgesonnener angenähert hätten. Sicherlich, unsere Politiker waren davon irritiert, dass jemand auf der Bildfläche erschienen ist, mit dem sie in keinster Weise vernetzt oder bekannt waren. Sie konnten ihn nicht einschätzen. Aber gerade deshalb wäre es wichtig gewesen erstmal einen Vertrauensvorschuss zu geben und diplomatische Beziehungen aufzubauen. Man hätte die neue Administration, wie man heute so schön sagt, "abholen" müssen. Wäre Trump in eine Riege von Staatsmännern gekommen die ihn respektieren und willkommen heissen, wäre es für ihn viel schwieriger gewesen unhöflich oder unkooperativ zu sein. Natürlich, wäre Trump deswegen nicht der zuvorkommendste Präsident aller Zeiten geworden. Aber so ablehnend wie wir uns verhalten haben fiel es ihm ungleich leichter sich nicht um andere Belange zu scheren. Die EU war einfach von diesem extrem USA-bezogenen Wahlkampf irritiert und eingeschüchtert, obwohl unsere Politiker professionell genug hätten sein müssen, um zu erkennen dass Wahlkampf eben Wahlkampf ist, und danach nicht alles so heiss gegessen wird wie es gekocht wird. Hätten wir nicht unmittelbar so ein extrem vergiftetes transatlantisches Verhältnis erzeugt, hätte man Trump vielleicht bzgl. der Nato und Paris wieder einfangen können. Aber so ablehnend wie wir Trump entgegen getreten sind, hatte er diplomatisch nichts zu verlieren, weil sowieso alle gegen ihn waren. Im Gegenteil, er hat sich anderen zugewandt; z. B. Nordkorea. Also konnte er auch aus dem Pariser Abkommen aussteigen, den Deal mit dem Iran kippen und der EU wo es nur ging Eines reinwürgen. Auch seine Auftritte bei den Gipfeltreffen wo er Politiker kleiner Länder einfach beiseite schob, waren reine Trotzreaktionen, weil er überall unwillkommen war. Da müssen wir uns ehrlich fragen, wie wir selbst uns dort verhalten wo wir uns unwillkommen fühlen.
Nichts desto trotz, denke ich, dass der Schaden durch Trump nur auf einer ideologischen Ebene entstanden ist. Die Welt hat sich im Prinzip durch ihn nur wenig nachhaltig verändert. Viele der Dinge mit denen die USA in den letzten vier Jahren schlecht gefahren sind, werden relativiert oder wieder ganz kassiert. Es hat sich allerdings viel im Umgangston geändert. Er hat versucht seine Wahrheit als die absolute Wahrheit zu verkaufen. Das hat die Dinge zwar nur bei seinen Hardcore Anhängern "wahr" gemacht, aber an die Rhetorik haben sich weltweit Einige adaptiert. Orban und Bolsonaro haben auch offenkundig keinen Hehl daraus gemacht, dass sie Trump bewundern und seinen Stil für sich übernommen. Der Rest der Welt hat seine Lügen und Dreistigkeit eher als unerträglich empfunden. Ich wage zu bezweifeln, dass dieses Phänomen auf Dauer bestand hat. Ein Joe Biden hat wahrlich Format, deshalb denke ich er wird in amerikanischen Regierungskreisen den Ton wieder auf ein vernünftiges Niveau anheben und internationale Beziehungen, zumindest tonal, wieder auf grün stellen. Die deutliche Abwahl von Trump ist auch ein spürbares Zeichen in Richtung Erdogan, Duda und andere Gernegroß-Staatschefs die eigentlich nur auf der Trump-Welle mitgeritten sind. Sie hatten gleich zu Beginn die Ablehnung gegenüber Trump gespürt und gemutmaßt, dass ein Anbiedern Richtung Trump-USA den entscheidenden Vorteil in der EU bringen würde. Das war, wie man jetzt erkennen kann, zu kurz gedacht. Es bleibt zu hoffen, dass ein Joe Biden trotz seines hohen Alters trotzdem ein gutes Gedächtnis hat, und nicht vergessen wird, wer in regelmäßigen Abständen die letzten 1,8m von Trumps Enddarm untersucht hat. Der letzte US-Präsident der nur eine Amtszeit hatte war Jimmy Carter. Selbst Bush Jr. bekam eine zweite Amtszeit, obwohl auch er weltweit höchst umstritten war. Aber die Tatsache, dass Trump keine zweite Amtszeit bekam, ist ein mehr als deutliches Zeichen an die Welt, dass Dreistigkeit nicht immer siegt!
Hoffen wir, dass die Politik weltweit etwas daraus lernt. Bolsonaro, Orban, Erdogan und Co. haben ihren wichtigsten Verbündeten verloren. Gut so.
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